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Deutschland: eilige Verringerung der Energieabhängigkeit von Russland

Juhi Dhawan, PhD, Macro Strategist
2022-12-30
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Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen des Autors bzw. der Autorin zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert eines Investments kann gegenüber dem Zeitpunkt des ursprünglichen Investments steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Verbraucher und Regierungen in ganz Europa sehen sich auf kurze Sicht mit massiven Steigerungen der Energiepreise konfrontiert. Ich habe kürzlich einige Zeit in Berlin verbracht, um mir ein besseres Verständnis der Energie- und Klimapolitik zu verschaffen, die Deutschland in den nächsten zehn Jahren verfolgen dürfte. Dabei habe ich festgestellt, dass die Regierung nach wie vor entschlossen ist, sich mittelfristig von fossilen Brennstoffen und sogar von der Kernkraft zu lösen und auf erneuerbare Energien zu setzen. Bei meinen Gesprächen habe ich festgestellt, dass viele der Verantwortlichen mit stoischer Gelassenheit auf die Krise reagieren, die durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine verursacht wurde, und sich darauf konzentrieren, entsprechende Pläne zu erarbeiten und systematisch umzusetzen. Dabei könnten sie womöglich sogar den Übergang zu einer stärker elektrifizierten Wirtschaft beschleunigen.

Ergebnisse und Beobachtungen im Fokus

  • Im Hinblick auf Erdgas, eines der größten Sorgenkinder in der gegenwärtigen Krise, ist die Nachfrage auch ohne konkrete Maßnahmen des Gesetzgebers bereits um 8 % zurückgegangen. Das „Idealziel“ wäre nach Meinung der politischen Entscheidungsträger eine Senkung der Nachfrage um 20 % (hier kursiert die Idee, eine Liste von Unternehmen zu erstellen, deren Geschäftstätigkeit im Falle eines strengen Winters beeinträchtigt werden könnte – d. h. eine „Prioritätenliste“, falls eine Rationierung erforderlich sein sollte). Unterdessen besteht das erklärte Ziel Deutschlands darin, die Speicher bis zum 1. November auf 95 % ihrer Kapazitäten aufzustocken. Jüngste Meldungen deuten darauf hin, dass bereits 82 % der landesweiten Kapazitäten erreicht sind.
  • Angesichts der erklärten Absicht Deutschlands, die Abhängigkeit von Russland innerhalb von zwei Jahren auf null Prozent zu reduzieren, bemüht sich das Land um die Erschließung alternativer Bezugsquellen für Erdgas. Vor der Krise stammten 55 % des nach Deutschland gelieferten Erdgases aus Russland. Das Ziel für dieses Jahr bestand darin, diesen Anteil auf 30 % zu senken. Aktuelle Meldungen legen nahe, dass diese Quote bereits unterschritten wurde.
  • In Kürze sollen vier Terminals für Flüssigerdgas (LNG) in Betrieb genommen werden, wobei einige schwimmende Terminals gepachtet wurden und andere dauerhaft errichtet werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Diversifizierung der LNG-Quellen, wobei mittelfristige Verträge mit Katar und möglicherweise auch Kanada angestrebt werden.
  • Was die Kernenergie betrifft, so werden die Kraftwerke, deren Abschaltung bereits beschlossen war, wahrscheinlich 2023 vorerst noch in Betrieb bleiben, da der Ernst der aktuellen Lage es erfordert, alle möglichen Optionen zu nutzen. Als langfristige Option lehnen die Deutschen (oder zumindest die derzeit an der Regierung beteiligten Grünen) die Kernenergie jedoch weiterhin ab.
  • 45 % des 2020 in Deutschland erzeugten Stroms stammte aus erneuerbaren Energiequellen. Bis Ende des Jahrzehnts soll dieser Anteil auf 80 % gesteigert werden, wodurch sich die Kapazitäten des Landes im Bereich der erneuerbaren Energien praktisch verdoppeln würden.
  • Hinsichtlich der installierten Windkraftkapazität liegt Deutschland weltweit hinter dem Vereinigten Königreich und China auf Platz 3. Ab 2025 sollen die Windkraftkapazitäten auf dem Festland (derzeit insgesamt 56 Gigawatt bzw. GW) jährlich um 10 GW erweitert werden. Ein im Juli dieses Jahres verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass 2 % der Flächen des Bundes für Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Offshore-Windkraftkapazitäten (derzeit 7,7 GW) sollen bis 2030 auf 30 GW bzw. bis 2035 auf 40 GW gesteigert werden.
  • Als weitere mögliche Option zur Steigerung der Energiesicherheit und zur Diversifizierung der Partner Deutschlands wird auch Wasserkraft aus Nordafrika in Betracht gezogen.
  • Deutschland will seine Energieeffizienz steigern, indem es Anreize setzt, die den Umstieg auf erneuerbare Energien sowohl für Unternehmen als auch private Haushalte attraktiv machen. Außerdem sollen die Genehmigungsverfahren im Bereich der erneuerbaren Energien beschleunigt werden, da diese als Hindernis für einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien erkannt wurden. Auch Einsparmaßnahmen dürften an Bedeutung gewinnen.
  • Neben der übermäßigen Abhängigkeit von Russland beschäftigen sich die politischen Entscheidungsträger in Deutschland auch mit der möglicherweise zu hohen Abhängigkeit von China sowie mit Optionen zur stärkeren Diversifizierung der Lieferketten und Märkte für deutsche Produkte. In diesem Zusammenhang stellen insbesondere Batterien einen Schwerpunktbereich dar. Derzeit sondiert Deutschland Möglichkeiten, Seltene Erden aus Chile, Südafrika und Kanada zu beziehen, um zusätzliche Bezugsquellen neben China aufzubauen.

Fazit

Auch wenn Deutschlands Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien durch die jüngsten Ereignisse erschwert wird, da die Erdgaspreise wesentlich stärker gestiegen sind, als zuvor vielleicht vorstellbar erschien, bin ich bei meiner Reise zu der Überzeugung gelangt, dass das Land nach wie vor fest entschlossen ist, die Energiewende zu bewältigen.

Erfahren Sie mehr über die Einschätzungen Wellingtons zu wirtschaftlichen Entwicklungen sowie Fragen im Zusammenhang mit Klima und Nachhaltigkeit.

Expertin

juhi dhawan

Juhi Dhawan

, PhD

Macro Strategist