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Harris gegen Trump: mögliche Konsequenzen für Außenpolitik und Anleger

Thomas Mucha, Geopolitical Strategist
4 Min. Lesezeit
2025-02-28
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White House South Portico

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Der Wahlkampf um die US-Präsidentschaft 2024 wurde in den letzten Wochen durch eine Reihe unerwarteter „Black Swan“-Ereignisse in der Politik auf den Kopf gestellt. Das Gleiche gilt für die ohnehin schon komplexe, gefährliche und unberechenbare geopolitische Lage – nicht nur wegen der Unwägbarkeiten der US-Innenpolitik, sondern vor allem auch aufgrund einer Reihe von geopolitischen Krisen in der Welt, mit denen sich eine Regierung Harris oder ein Trump 2.0-Team unmittelbar nach der Vereidigung im kommenden Januar auseinandersetzen muss.

Es folgt ein kurzer Überblick darüber, wie die beiden möglichen Regierungen wahrscheinlich mit diesen Herausforderungen umgehen würden und welche Auswirkungen dies auf die geopolitische Stabilität, die nationale Sicherheitspolitik der USA und die Märkte haben könnte.

Harris: Politische Kontinuität mit kleinen Unterschieden

Vizepräsidentin Kamala Harris hat in der Biden-Regierung eine wichtige außenpolitische Rolle gespielt. Sie hat sich mit mehr als 150 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt getroffen, 21 Länder besucht und die USA bei zahlreichen multilateralen Veranstaltungen und Organisationen vertreten, darunter drei Münchner Sicherheitskonferenzen. Sie hat auch an den meisten Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrats der USA teilgenommen und war insbesondere regelmäßige Teilnehmerin am „President‘s Daily Brief“, einer von den führenden Geheimdienstanalysten des Landes vorbereiteten Lagebesprechung, in der die wichtigsten nationalen Sicherheitsfragen der USA für den jeweiligen Tag erörtert werden.

In fast allen Bereichen lehnt sich die Vizepräsidentin bei ihren außenpolitischen Positionen eng an Präsident Biden an. Im Hinblick auf die Außenpolitik einer möglichen Harris-Regierung ist daher „mehr vom Gleichen“ und eine Kontinuität in der Herangehensweise und im Personal zu erwarten.

Dies bedeutet, dass der strategische Schutz und die Förderung von Sektoren, die für den Wettbewerb mit China von entscheidender Bedeutung sind, wie Künstliche Intelligenz, Quanten- und Biotechnologie etc., weiterhin im Mittelpunkt stehen werden (Vizepräsidentin Harris hat sich insbesondere für US-Exportkontrollen und Beschränkungen für ausländische Investitionen in hoch entwickelte Halbleiter eingesetzt).

Es bedeutet auch, dass der Schwerpunkt weiterhin auf der Vertiefung der Beziehungen zu den Verbündeten der USA in den Bereichen Wirtschaft und nationale Sicherheit liegt, einschließlich der fortgesetzten Unterstützung der Ukraine und Taiwans durch die USA, und dass die Abhängigkeit von NATO, Quad, AUKUS und anderen traditionellen und aufstrebenden multilateralen Institutionen zunimmt.

Und schließlich bedeutet es eine stärkere Konzentration auf den Klimawandel und insbesondere auf die Aspekte der nationalen Sicherheit, die unter ihrer Regierung wahrscheinlich mit noch mehr Dringlichkeit behandelt werden, wie Klimamigration, zunehmender Extremismus und andere aufkommende Herausforderungen in den äquatorialen und tropischen Regionen, wo der Klimawandel am stärksten zu spüren ist und wo sich viele der aktuellen geopolitischen Krisenherde befinden.

Der einzige außenpolitische Bereich, in dem Vizepräsidentin Harris sich zumindest in gewisser Weise und im Ton von der Biden-Regierung zu unterscheiden scheint, ist der Gazastreifen, wo sie ihre Besorgnis über die Notlage der Palästinenser deutlicher zum Ausdruck gebracht hat (sie bezeichnet den aktuellen Konflikt als „humanitäre Katastrophe“), während sie gleichzeitig Israel nachdrücklich unterstützt.

Auch der von Harris gewählte Kandidat für die Vizepräsidentschaft könnte sich als potenziell differenzierender Faktor in den Beziehungen zwischen den USA und China erweisen. Der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, hat eine starke persönliche Verbindung zu China, unter anderem durch einen einjährigen Lehraufenthalt in Guangdong im Jahr 1989, und hat China mehr als 30 Mal besucht. Diese kulturelle Kompetenz und Perspektive könnte zusätzliche Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen den USA und China auf hoher Regierungsebene eröffnen, auch wenn die von Walz als Kongressabgeordneter insbesondere in Bezug auf Menschenrechte, Tibet und Hongkong geäußerte Kritik an der Kommunistischen Partei dem entgegenstehen könnte.

Trump: Die politische Strategie dürfte den transaktionalen Ansatz seiner ersten Amtszeit widerspiegeln

Kurz gesagt erwarte ich eine eher transaktionsorientierte US-Außenpolitik, ähnlich wie wir sie in der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump erlebt haben, insbesondere gegenüber der Ukraine und Russland, aber auch gegenüber Taiwan.

Nimmt man seine erste Amtszeit als Maßstab, würde ich auch eine härtere Gangart gegenüber dem Iran erwarten, nachdem das Atomabkommen mit dem Iran 2018 aufgekündigt wurde und die USA 2020 den obersten Militär- und Geheimdienstchef des Iran, Generalmajor Qasem Soleimani, töten ließen.

Handelsinteressen würden die US-Außenpolitik einer zweiten Trump-Administration wahrscheinlich ebenfalls prägen. Das Versprechen des ehemaligen Präsidenten, hohe Handelszölle gegen China – sowie gegen einige Verbündete der USA in Europa und im indopazifischen Raum – zu verhängen, wäre wahrscheinlich ein wesentliches Merkmal des Ansatzes einer Regierung Trump 2.0 gegenüber der restlichen Welt und würde mit ziemlicher Sicherheit zu neuen Spannungen in den Beziehungen zwischen den USA und China sowie zu neuen Reibungen mit den traditionellen Verbündeten der USA führen.

Anlageimplikationen: mehr Gewinner und Verlierer im neuen Umfeld unabhängig vom Wahlausgang

Unabhängig vom Ausgang der Wahlen im November und den unterschiedlichen politischen Prioritäten von Vizepräsidentin Harris und Ex-Präsident Trump wird das globale geopolitische Umfeld angespannt bleiben – wahrscheinlich noch auf Jahre hinaus. In einem für die nationale Sicherheit derart instabilen Umfeld werden die politischen Entscheidungsträger in den USA und in anderen Ländern weiterhin der nationalen Sicherheit Vorrang einräumen, häufig auf Kosten der wirtschaftlichen Effizienz.

Anleger sollten sich daher auf ein ganz neues Umfeld einstellen. Selektiver Protektionismus könnte zur neuen Normalität werden, die Wahrscheinlichkeit strukturell höherer Inflationsraten und Zinssätze steigt, die Makrozyklen dürften sich stärker voneinander unterscheiden und das globale Wachstum dürfte niedriger sein als in der „goldenen Ära“ der Globalisierung.

Auf der positiven Seite dürften diese geopolitischen und politischen Umwälzungen zu einer Vielzahl differenzierter Marktergebnisse auf regionaler, nationaler, sektoraler, Unternehmens- und Anlageklassenebene führen und zahlreiche Gelegenheiten bieten, im Rahmen aktiv verwalteter Anlagestrategien Gewinner und Verlierer zu identifizieren.

Und schließlich dürften diese strukturellen Veränderungen langfristig auch einigen Anlagethemen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit Auftrieb verleihen. Dazu gehören die Bereiche traditionelle Verteidigung und Verteidigungsinnovation sowie Klimaresilienz und erneuerbare Energien, da ein enger Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und zunehmender geopolitischer Instabilität besteht.

Experte

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Thomas Mucha

Geopolitical Strategist