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Die Bedeutung eines direkten Dialogs mit Unternehmen für Stewardship Investing

Yolanda Courtines, CFA, Equity Portfolio Manager
2023-12-31
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yolanda courtines

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen des Autors bzw. der Autorin zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert eines Investments kann gegenüber dem Zeitpunkt des ursprünglichen Investments steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Als aktive Portfoliomanagerin bin ich schon seit langem davon überzeugt, dass sich Stewardship-Standards durch einen direkten Dialog mit den betreffenden Unternehmen deutlich verbessern lassen. Ein kontinuierlicher Dialog bildet ein zentrales Element unseres auf Stewardship ausgerichteten Anlageansatzes, und die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2021 haben wir 143 Gespräche mit 95% der in unserer Global Stewards-Strategie gehaltenen Unternehmen geführt. Im Folgenden möchte ich einige der Erkenntnisse vorstellen, die wir im Laufe der Jahre gewonnen haben.

Wozu einen Dialog mit Portfoliounternehmen führen?

Die Unternehmen, die es am besten verstehen, die Gesellschaft, die Umwelt und ihre eigenen Gewinne gleichermaßen im Blick zu behalten, sind unserer Einschätzung nach in der Lage, sich langfristige Vorteile zu erarbeiten. Das Team ist bestrebt, in diese „guten Stewards“ zu investieren, da wir davon überzeugt sind, dass die Stewardship-Qualitäten eines Unternehmens direkten Einfluss auf die Anlagerenditen haben. Die Umsetzung hoher Governance-Standards und effektiver Nachhaltigkeitspraktiken kann sowohl die Widerstandsfähigkeit als auch die Rentabilität langfristig steigern.

Wir sind der Ansicht, dass wir durch regelmäßige Gespräche mit den Managementteams und Lenkungs-/Kontrollausschüssen (Boards) der Unternehmen in der Lage sind, ihre Unternehmenskultur, ihre Anpassungsfähigkeit und ihr Reaktionsvermögen zu beurteilen und sicherzustellen, dass Anreize mit nachhaltigen, langfristigen Zielen im Einklang stehen. Vor allem aber können wir durch einen regelmäßigen Dialog die Managementteams und Lenkungs-/Kontrollausschüsse für ihr Handeln zur Verantwortung ziehen.

Bei diesen Gesprächen konzentrieren wir uns vorrangig auf wesentliche Themen, die am wahrscheinlichsten Auswirkungen auf die Finanzlage oder Geschäftstätigkeit eines Unternehmens haben könnten, z.B. Mitarbeitervielfalt, moderne Sklaverei in den Lieferketten, Aufbau von Widerstandsfähigkeit gegen physische Klimarisiken und die Vorgabe von Zielen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und zur Abschwächung der mit dem Klimawandel verbundenen Risiken. Außerdem möchten wir uns ein umfassendes Verständnis der langfristigen Strategie eines Unternehmens verschaffen und unsere Meinung zu wichtigen Themen wie Kapitalallokation, Risikomanagement und ESG einbringen, wobei wir uns gleichzeitig auch auf Fragen der Ethik und Unternehmenskultur konzentrieren. Meines Erachtens sind ESG-Faktoren aufgrund der langfristig engen Verknüpfung zwischen Stewardship und Kapitalrendite eine besonders wichtige Komponente für ein aktives Engagement, um den langfristigen Erfolgs eines Unternehmens zu beeinflussen.

Maximieren der Vorteile einer aktiven Einflussnahme

Ich denke, dass wir als aktive Manager durch einen Dialog mit den von uns gehaltenen Unternehmen eine wertvolle Gelegenheit erhalten, unser Wissen über sie auszubauen und unseren Einfluss auf ihren langfristigen Erfolg zu vergrößern. Unser Engagement konzentriert sich dabei auf das Gewinnen differenzierter Einschätzungen, die Beurteilung und Beeinflussung der für ein Unternehmen bestehenden Risiken und Chancen, das Fördern von Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz und die Beeinflussung von Verhaltensänderungen, die sich unserer Einschätzung nach auf die künftige Rentabilität und Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens auswirken könnten.

Um die Wirkung dieser Maßnahmen zu maximieren und den Wert unserer Portfoliounternehmen zu steigern, ist es meiner Meinung nach entscheidend, den Managementteams und Lenkungs-/Kontrollausschüssen als glaubwürdiger und sachkundiger Partner gegenüberzutreten und ein breites Spektrum an Perspektiven und Erkenntnissen einzubringen. In unserem Fall profitieren wir erheblich von unsere eigenen Unternehmenskultur, die von einer engen Zusammenarbeit und dem regelmäßigen Austausch von Ideen zwischen unseren auf Investments, Research, Stewardship, Stimmrechtsvertretung und ESG spezialisierten Teams geprägt ist.

Ein erfolgreicher Dialog mit Unternehmen setzt meines Erachtens außerdem einen wirklich langfristig orientierten Ansatz voraus. Unternehmen sind komplexe Organisationen, und sie brauchen die nötige Zeit, um dauerhafte Veränderungen herbeizuführen. Dank unseres langfristigen Anlageansatzes (unser Ziel ist es, Unternehmen mindestens zehn Jahre lang zu halten) sind wir besser aufgestellt, um Firmen für diejenigen Themen zu sensibilisieren, die für uns als Treuhänder des Vermögens unserer Kunden wichtig sind, und um Veränderungen zu beeinflussen.

Dieser geduldige Ansatz muss jedoch mit einer klaren Rechenschaftspflicht verbunden sein. In unseren Portfolios sind wir bestrebt, die Stimmrechte, die wir im Namen unserer Kunden ausüben, aktiv zu nutzen, um unsere Meinung gegenüber den Lenkungs- und Kontrollgremien zum Ausdruck zu bringen und sie im Hinblick auf wichtige Themen zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn die Eskalation durch persönliche Gespräche erfolglos bleibt, können Anleger erwägen, die Öffentlichkeit hinzuzuziehen, indem sie ihre Bedenken zu einem bestimmten Thema beispielsweise in der Presse oder in einer Briefkampagne gemeinsam mit anderen Aktionären äußern. Aus unserer Sicht liefert der Aufbau einer konstruktiven, aber ehrlichen Partnerschaft mit den Unternehmen, in die wir investieren, die besten langfristigen Ergebnisse. Daher wägen wir jede Entscheidung für öffentliche Maßnahmen von Fall zu Fall sorgfältig ab. In bestimmten Fällen ist es meines Erachtens auch wichtig, die Grenzen eines direkten Dialogs zu erkennen. Als aktive Manager haben wir stets die Option, unsere Positionen zu veräußern, wenn wir der Meinung sind, dass unsere Bemühungen um Verbesserungen auf taube Ohren stoßen.

Ausrichtung des Dialogs auf die „gelebte Erfahrung“ der Unternehmen

Meiner Meinung nach ist es wichtig zu erkennen, dass Unternehmen stets innerhalb eines bestimmten Kontextes agieren. Wir haben zwar eine Reihe klarer Prioritäten für unsere Engagement-Aktivitäten, passen unseren Ansatz aber jeweils individuell an, da wir uns darüber im Klaren sind, dass jedes Unternehmen vor einzigartigen Herausforderungen steht. Daher respektieren wir ihre unterschiedlichen kulturellen und sozialen Normen. Bei unserem Ansatz können wir von der Arbeit unserer spezialisierten Branchenanalysten für Aktien-, Renten- und ESG-Research profitieren, die ihre jeweiligen Branchen genau kennen und langjährige Beziehungen zu den Mitgliedern der Managementteams und Lenkungs- und Kontrollgremien aufgebaut haben. Zur besseren Beurteilung teilen wir die Unternehmen in sechs übergeordnete Sektoren ein, die unserer Meinung nach ähnliche ESG-Prioritäten aufweisen (Abbildung 1): Verbraucher, Finanzen, Gesundheit, Industrie, Energie sowie Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT). Im Verbrauchersektor konzentrieren wir uns mit unserem Dialog beispielsweise auf die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens, sein Verhalten, seine Reputation, die Zufriedenheit seiner Kunden, die Produktsicherheit und das Lieferkettenmanagement. Darüber hinaus verwenden wir eine selbst entwickelte „Scorecard“, die uns im Rahmen unseres Dialogs hilft, „Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen“.

Abbildung 1. Wesentlichkeit bei Stewardship-Standards: breit gefasste ESG-Prioritäten nach Sektoren
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Consumer
  • Anpassungsfähigkeit
  • Verhalten und Reputation
  • Kundenzufriedenheit
  • Produktsicherheit
  • Lieferkette
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Financials
  • Verhalten und Reputation
  • Vergütung
  • IT-Sicherheit
  • Regulierung
  • Risikokultur
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Health care
  • Erschwinglichkeit
  • Verhalten und Reputation
  • Innovation
  • Produktsicherheit
  • Regulierung
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Industrials
  • Energiewende
  • Beziehung zur lokalen Gemeinschaft
  • Innovation
  • Lieferkette
  • Arbeitsschutz
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Power
  • Energiewende
  • Klimaresilienz
  • IT-Sicherheit
  • Regulierung
  • Arbeitsschutz
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Technology, media & telecoms
  • Vergütung
  • Verhalten und Reputation
  • IT-Sicherheit und Datenschutz
  • Innovation
  • Lieferkette

Nur zur Veranschaulichung. Diese Liste potenzieller Stewardship-Probleme erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei einer Anlageentscheidung sollten alle in den Verkaufsunterlagen beschriebenen Merkmale und Ziele berücksichtigt werden. In den Hinweisen zu nachhaltigkeitsbezogenen Anlagefragen finden Sie diesbezüglich weitere Informationen.

Unser Dialog mit Unternehmen in der Praxis: Lieferketten und der Klimawandel

  • Lieferketten
    Aufgrund ihrer Komplexität und fehlender Offenlegungsstandards sind die Lieferketten oft ein „toter Winkel“ für den Markt. Es überrascht uns immer wieder, wie wenige Unternehmen ihre gesamte Lieferkette wirklich kennen und dafür Verantwortung übernehmen. Die aktuellen Störungen zeigen klar die Schwachstellen auf, die dadurch entstanden sind, dass Beschaffungsstrategien und das Bestandsmanagement auf maximale Effizienz ausgerichtet sind.

    Unternehmen mit guten Stewardship-Qualitäten müssen eine nachhaltige Lieferkettenstrategie aufweisen, die eine zuverlässige Logistik, reichlich Waren und eine verlässliche Versorgung mit Produktionsressourcen gewährleistet. Zudem benötigen sie ein klares Verständnis des CO2-Fußabdrucks des gesamten Betriebs und der Praktiken ihrer Lieferanten im Bereich Humankapital. Viele Unternehmen befinden sich noch in der Anfangsphase des Aufbaus dieser Widerstandsfähigkeit, und ihr Bereitschaftsgrad ist sehr unterschiedlich.

    Lieferketten sind mit einem hohen Umweltrisiko behaftet, da sie oft einen großen Teil der Gesamtemissionen eines Unternehmens verursachen. Wir arbeiten mit Unternehmen zusammen, um dieses Risiko im Rahmen unserer Verpflichtung zum Erreichen von Klimaneutralität in Angriff zu nehmen. Die sozialen Risiken innerhalb der Lieferkette sind ebenso kritisch. Auch wenn Unternehmen oftmals nicht direkt etwas mit der Gewinnung und dem Anbau ihrer Rohstoffe zu tun haben, sollten sie dennoch für die in der gesamten Kette vorherrschenden Arbeitsbedingungen zur Rechenschaft gezogen werden. Missbrauch und die Ausbeutung von Arbeitskräften können gut versteckt sein, aber es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass sie in globalen Lieferketten weit verbreitet sind. Die Minderung der Risiken moderner Sklaverei hat direkte finanzielle Auswirkungen, da sie die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens verbessert, die Wahrscheinlichkeit potenzieller Lieferunterbrechungen verringert, das Risiko negativer Schlagzeilen und einer Schädigung der Marke senkt und die Wahrscheinlichkeit unerwarteter Kosten und Bußgelder reduziert.
  • Klimawandel
    Der Klimawandel ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unserer Interaktionen mit den Unternehmen, und wir regen alle unsere Portfoliounternehmen an, sich zu Klimaneutralitätszielen im Sinne des Pariser Abkommens zu verpflichten. Unternehmen mit geringen direkten Emissionen sind immer noch für indirekte Emissionen aus vor- und nachgelagerten Tätigkeiten verantwortlich. Dazu zählen unter anderem auch die CO2-Kosten der von ihnen gekauften Waren, die Transportkosten und die Energie- und Abfallkosten, die bei der Verwendung der von ihnen verkauften Produkte entstehen. Unternehmen mit starken Stewardship-Qualitäten greifen Änderungen in der Gesetzgebung vor und passen sich entsprechend an. Sie nutzen die sich entwickelnden Anreize und gehen auf die sich ändernden Kundenpräferenzen ein. Soweit möglich ermutigen wir die von uns gehaltenen Unternehmen, Verbesserungen vorzunehmen, beispielsweise Prozessinnovationen zur Verringerung des Einsatzes fossiler Brennstoffe, Umstellungen auf eine kohlenstoffärmere Logistik, längere Produktlebenszyklen zur Vermeidung von Abfällen und Innovationen zur Senkung der Energieintensität.

    Der Klimawandel bringt zwar Risiken und Kosten mit sich, bietet aber auch Chancen. Unternehmen mit einer starken Klimastrategie können eine Vorreiterrolle einnehmen. Sie können sich effektiver an den Klimawandel anpassen und von der Energiewende profitieren. Wellington arbeitet eng mit dem Woodwell Climate Research Centre und dem Joint Program on the Science and Policy of Global Change am Massachusetts Institute of Technology zusammen. Diese Partnerschaften haben es uns ermöglicht, unseren Dialog mit Unternehmen in Klimafragen zu intensivieren. Zudem sind wir so in der Lage, wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Implikationen für die Finanzbranche zu verknüpfen, um uns ein besseres Verständnis der Risiken und Chancen zu verschaffen.

Aktive Interaktionen liefern Mehrwert 

Wir hoffen, dass der Austausch über die Erkenntnisse und Analysen von Wellington den Unternehmen dabei hilft, die immer anspruchsvollere Liste von Risiken zu bewältigen, mit denen Managementteams und Lenkungs-/Kontrollausschüsse heute konfrontiert sind. Gleichzeitig gibt uns der Aufbau starker Beziehungen zu Unternehmen durch einen regelmäßigen Dialog die Möglichkeit, eine langfristige Ausrichtung zu fördern und Inseldenken zu hinterfragen.

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