Es ist vollbracht. Die Bank of Japan (BoJ) hat den lange erwarteten Ausstieg aus ihrer Negativzinspolitik endlich vollzogen. Die Märkte haben zwar positiv auf diesen im Vorfeld gut kommunizierten Schritt reagiert, das Thema ist damit aber meiner Meinung nach noch lange nicht beendet. Meines Erachtens müssen vier wichtige Fragen beantwortet werden, die angesichts der Rolle Japans als Anker für die globalen Anleihenmärkte potenziell große Auswirkungen auf Anleger weltweit haben könnten.
Ist dies der Beginn einer Normalisierung?
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels scheinen die Anleger davon auszugehen, dass die BoJ ihre Pläne weitgehend umgesetzt hat: Bis zum Jahresende wird nur noch mit einer weiteren Zinserhöhung gerechnet. Ich bin jedoch der Meinung, dass der Marktkonsens nicht mit der aktuellen Phase des Zyklus vereinbar ist. Die Inflation und das nominale Wachstum zeigen sich robust, und die BoJ scheint zunehmend zuversichtlich, dass sie ihr bisher schwer zu realisierendes Preisstabilitätsziel von 2% erreichen wird. Beide Beobachtungen deuten darauf hin, dass der Übergang in den neutralen Bereich schneller erfolgen könnte als erwartet. Zusätzlicher Abwärtsdruck auf den Yen könnte diesen Prozess beschleunigen.
Was bedeutet das für die Schuldentragfähigkeit?
Das größte Risiko für einen erfolgreichen Ausstieg der BoJ aus ihrem geldpolitischen Konjunkturprogramm sehe ich eher in den fiskalpolitischen Auswirkungen als in einem möglichen Abwürgen der längst überfälligen Konjunkturerholung, auch wenn die Anpassung an nominell positive Zinsen für viele Unternehmen eine Herausforderung darstellen wird. Steigende Renditen dürften die Bilanz der BoJ erheblich schwächen, da sie den Wert ihrer extrem hohen Bestände an japanischen Staatsanleihen verringern. Für die japanischen Staatsfinanzen werden die Auswirkungen der Normalisierung wegen der höheren Schuldendienstkosten jedoch noch dramatischer sein, zumal die Regierung das höhere nominale Wachstum nicht zur Kürzung ihrer Ausgaben genutzt hat. Hinzu kommt: Wenn die BoJ schließlich ihr Anleihenkaufprogramm einstellt, wird die Regierung höhere Renditen bieten müssen, um alternative Käufer für ihre Schuldtitel zu finden, was die Finanzlage weiter schwächen wird.
Es ist diese außergewöhnlich enge Beziehung zwischen Geld- und Fiskalpolitik, die Japans Weg zur Normalisierung so tückisch macht. Meiner Meinung nach werden die politischen Entscheidungsträger am Ende zu schwierigen Kompromissen gezwungen sein:
- entweder sie erlauben einen Anstieg der Renditen und schränken die Haushaltsausgaben ein, obwohl die Steuerbasis schrumpft und der Bedarf in Bereichen wie Gesundheitsversorgung und Altenpflege, Verteidigung und Anpassung an den Klimawandel steigt, oder
- sie nehmen einen schwächeren Yen in Kauf und importieren mehr Inflation, was letztlich das Ziel steigender Reallöhne untergraben könnte.
Könnte die Inflation am Ende zu hoch sein?
Nach 25 Jahren Deflation hat sich Japan für eine Schocktherapie mit einer bewusst „leichtsinnigen“ Politik entschieden. Dieser Ansatz zeigt erste Erfolge, da die Kerninflation in den letzten beiden Jahren bei durchschnittlich 3% lag. Dennoch scheinen die Öffentlichkeit und die Märkte noch nicht vollständig von der Entschlossenheit der BoJ überzeugt zu sein, der Inflation freien Lauf zu lassen. Moderate Zinserhöhungen könnten die Konjunktur sogar ankurbeln, wenn man die folgenden Faktoren berücksichtigt:
- den Umfang der Zentralbankbilanz;
- die Reserven im Finanzsystem (ca. 80% des BIP);
- die lockere Fiskalpolitik; und
- eine historisch schwache Währung.
Während die jüngsten Indikatoren einen Rückgang der Kerninflation nahelegen, deuten sinkende Sparquoten, höhere Lohn- und Investitionsabsichten und vor allem die Zunahme der Immobilienkredite in die entgegengesetzte Richtung. Sollten sich diese zögerlichen Anzeichen einer Verhaltensänderung verstärken, könnte dies unbeabsichtigte Folgen haben. Dies bringt die BoJ in eine unangenehme Lage. Wenn sie auf eine deutliche Belebung der Kreditvergabe der Banken wartet, um sich ihres Erfolgs sicher zu sein, könnte sie eine hohe Inflation auslösen, was angesichts der alternden Bevölkerung Japans ein gesellschaftliches Problem wäre. Andererseits könnte ein zu schneller Anstieg der Zinssätze und Renditen den Aufschwung zunichte machen oder zu einem abrupten Anstieg der Renditen japanischer Staatsanleihen führen.
Was bedeutet das für globale Anleger?
Die potenzielle Instabilität japanischer Staatsanleihen und eine weitere Schwächung des Yen könnten Japans Status als globaler Marktanker untergraben und Fragen zur Tragfähigkeit der Verschuldung aufwerfen. Ein alternativer Weg, Japans Ausstieg aus seinem jahrzehntelangen politischen Experiment zu erleichtern, könnte darin bestehen, inländische Finanzinstitute zu überzeugen, wieder in den Markt für japanische Staatsanleihen einzusteigen. Eine solche Entwicklung würde jedoch die japanische Nachfrage nach globalen Vermögenswerten verringern und einen wichtigen Faktor beseitigen, der dazu beigetragen hat, die globalen Renditen und Risikoprämien niedrig und stabil zu halten. Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich deuten darauf hin, dass Australien und die Länder der Eurozone, insbesondere Frankreich, am stärksten von dieser Umkehr der Kapitalströme betroffen sein könnten, die mit einer schwächeren Nachfrage aus anderen Ländern mit hohen Überschüssen, insbesondere aus Deutschland, zusammenfällt.
Ich glaube, dass eine erfolgreiche Neuausrichtung der japanischen Wirtschaft im Laufe der Zeit sowohl auf Anlageklassen- als auch auf Wertpapierebene neue Chancen eröffnen kann, von denen aktive Investoren profitieren können.
Vorerst sollten sich Anleger auf Signale konzentrieren, die darauf hindeuten, dass die BoJ womöglich schneller handelt, als die meisten Marktbeobachter erwarten, und auf die damit potenziell einhergehenden Marktverwerfungen.