4) Könnte Europa zu einem Paradies für auf die Titelauswahl spezialisierte Anleger werden?
Europa durchläuft unseres Erachtens momentan einen bedeutsamen Umfeldwechsel, der an die veränderten Bedingungen in den Jahren 2000 und 2008 erinnert und europäische Aktien besonders attraktiv für Investmentexperten mit einem aktiven Ansatz machen könnte. Dieser Wandel basiert auf drei wichtigen Entwicklungen:
- Die Globalisierung verlangsamt sich, während geo- und handelspolitische Spannungen zunehmen. Die offene Wirtschaftsstruktur in Europa macht die Region besonders anfällig für diese Veränderung.
- Nach einem Jahrzehnt mit einer außergewöhnlich expansiven Geldpolitik findet in Europa nun ein Wechsel zu einem restriktiveren Umfeld statt.
- Europa hat generell sehr offene Wirtschaftsstrukturen, die einzelnen Länder fokussieren sich aber zunehmend auf das Inland und neigen mehr zu Interventionen, wobei die nationale Sicherheit und die Energiewende bei politischen Entscheidungen in den Mittelpunkt rücken. Demografische Veränderungen und eine Rückkehr zu positiven Zinsniveaus tragen ebenfalls zu diesem Wandel bei.
Diese Faktoren werden sich unseres Erachtens in erheblichem Maße auf die europäischen Finanz- und Aktienmärkte auswirken. Wir rechnen mit strukturell höheren Inflationsraten und Zinsen, verstärkten politischen Interventionen, einem erneuten Fokus auf Bewertungen und einem Rückgang der relativen Attraktivität von Unternehmen mit internationalen Aktivitäten.
Am stärksten dürften von diesem Umfeldwechsel Sektoren im Value-Bereich wie europäische Banken und Telekommunikationsunternehmen, Verteidigungsunternehmen und europäische Small Caps profitieren. Die Sektoren, denen die Globalisierung und niedrigere Zinsen zugutekamen, dürften hingegen vor Herausforderungen stehen.
5) Könnten Small- oder Mid-Cap-Unternehmen 2025 mehr Wertschöpfungspotenzial bieten?
Im Zeitablauf haben Small-Cap-Aktien eine bessere Performance als Large-Cap-Aktien geboten, weil kleine Unternehmen historisch gesehen schneller gewachsen sind als große Unternehmen. Es gibt zwar keine Garantie, dass solche Muster Bestand haben, die Führung in Sachen Performance rotiert aber in der Regel zwischen Small Caps und Large Caps. Diese Zyklen dauern für gewöhnlich zwischen zehn und fünfzehn Jahren. Small Caps zeigen jetzt seit über 13 Jahren eine schwächere Performance, was mit einem historisch hohen Bewertungsabschlag gegenüber Large Caps einhergeht.
Diese Underperformance liegt teilweise in der größeren Sensitivität von Small Caps in Bezug auf das Wirtschaftsumfeld und steigende Zinsen begründet. Ihre Gewinne wurden daher in den letzten zwei Jahren überproportional stark in Mitleidenschaft gezogen. Unserer Ansicht nach könnten eine Verbreiterung des Wirtschaftswachstums, ein Inflationsrückgang und niedrigere Zinsen diese Belastung für die Gewinne von Small Caps nach und nach mindern. Wir werden daher nach einer Normalisierung des Umsatz- und Gewinnwachstums Ausschau halten. Sollte dies eintreten, dann machen die Unterschiede und hohe Streuung innerhalb des Small-Cap-Bereichs diese Anlageklasse besonders attraktiv für aktive Manager, insbesondere in den USA und Europa. Wir werden außerdem eine Auge darauf haben, ob die Wiederwahl von Donald Trump für Deregulierung und verstärkte M&A-Aktivitäten sorgt. Dies könnte je nach Ausgestaltung der jeweiligen Maßnahmen bestimmten Segmenten des Small-Cap-Markts zugutekommen. Darüber hinaus sind Small-Cap-Aktien generell ein weniger effizientes Marktsegment als Large-Cap-Aktien, was Möglichkeiten zum Identifizieren von unterbewerteten Titeln eröffnet.
Fazit
2025 sind dynamische Veränderungen der globalen Aktienlandschaft zu erwarten. Wir sehen angesichts einer Verbreiterung des Gewinnwachstums, des wieder gestiegenen Wertschöpfungspotenzials durch eine globale Diversifizierung und der potenziell besseren zukünftigen Performance von Small- und Mid-Cap-Unternehmen Potenzial für attraktive Anlagechancen.
Insgesamt wird ein eher strategischer und diversifizierter Ansatz mit einem Schwerpunkt auf dem Identifizieren von unterbewerteten Anlagechancen in den verschiedenen Sektoren und Regionen entscheidend sein, um in der sich verändernden Investmentlandschaft 2025 zurechtzukommen.
Grafik im Fokus: Kann die Hausse an den Aktienmärkten anhalten?
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