China
Seit dem Schub im Zuge der Wiedereröffnung nach der Pandemie Ende 2022 haben sich chinesische Aktien sehr enttäuschend entwickelt, da die zögerliche Konjunkturerholung, wachsende Sorgen um den Immobilienmarkt und sinkende Bewertungen den Markt belasten. Wie im Vereinigten Königreich ist das Risiko-Ertrags-Verhältnis hoch, wird aber durch die gedrückte Stimmung der Anleger teilweise ausgeglichen. Angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken rechtfertigt China unseres Erachtens einen höheren Bewertungsabschlag für Aktien als andere Regionen.
Emerging Markets (EM) ohne China
Nach 15 Jahren relativer Underperformance gegenüber den Industrieländern verdienen die Schwellenländer insgesamt die Aufmerksamkeit der Anleger. In der Vergangenheit haben sich die Schwellenländer in der Frühphase des Zyklus nach einer von den USA angeführten Rezession in den Industrieländern am besten entwickelt. Während China aufgrund seiner Dominanz in den EM-Indizes auch 2024 die Performance von EM-Aktien belasten könnte, gehen wir davon aus, dass eine relativ niedrige Inflation, sich verbessernde Fundamentaldaten, niedrige Bewertungen und eine hohe Marktineffizienz EM-Aktien für aktive Manager attraktiv machen könnten.
Was könnte ein neues Anlageumfeld für globale Aktien bedeuten?
Wir gehen davon aus, dass das Jahr 2024 von hartnäckiger Inflation und schwächerem Wachstum geprägt sein wird. Die Zentralbanken werden sich entscheiden müssen, ob sie das Wirtschaftswachstum unterstützen oder den Preisauftrieb begrenzen wollen. Dieser Zielkonflikt dürfte zu kürzeren und häufigeren Zyklen und zu einer geringeren Synchronisierung zwischen den Regionen führen. Daher erwarten wir eine zunehmende Volatilität und Streuung unter globalen Aktien.
Die Märkte scheinen dieses Risiko zu optimistisch einzuschätzen, was nicht verwunderlich ist. Seit 1996 hat die Weltwirtschaft in etwa 75% der Zeit ein „Goldlöckchen“-Szenario erlebt, das durch stetiges Wachstum und niedrige Zinsen/Disinflation gekennzeichnet war, wobei der COVID-19-Abschwung und das schwierige Jahr 2022 zwei bemerkenswerte aktuelle Ausnahmen darstellen. Die Rally bei Risikoanlagen im Jahr 2023 wurde wahrscheinlich durch die erwartete Rückkehr zu einem weder zu heißen noch zu kalten Umfeld mit bescheidenem, aber positivem Wirtschaftswachstum und moderater oder rückläufiger Inflation gestützt. Es bleibt abzuwarten, ob die Zentralbanken der Industrieländer ihre derzeitigen Inflationsziele von 2% aufweichen oder mit weiteren Zinserhöhungen eine Rezession und/oder systemische Instabilität riskieren werden. Damit bleibt für globale Aktien eine große Bandbreite an möglichen Entwicklungen.
Wir rechnen für das Jahr 2024 mit folgenden Szenarien:
- Eine engere Korrelation zwischen Aktien und Anleihen und eine größere Streuung zwischen einzelnen Aktien (wenn die Liquiditätsschwemme nachlässt) könnten die Argumente für ein aktives Management verstärken.
- Die Fundamentaldaten werden an Bedeutung gewinnen. Die Märkte könnten mehr Wert auf Gewinne, Bilanzstärke und Cashflow-Visibilität legen.
- Stetiges Umsatzwachstum und Margensteigerungen könnten zunehmend geschätzt werden.
- Die Qualität der Unternehmensführung könnte die idiosynkratische Performance bestimmen, da die Unternehmen mit gewinnbestimmenden Unsicherheiten konfrontiert sind, die von der Deglobalisierung und dem begrenzten Angebot an Arbeitskräften bis hin zur generativen künstlichen Intelligenz (KI) und dem Klimawandel reichen.
- Die Annäherung der Bewertungen von privaten und öffentlichen Aktien lässt möglicherweise weniger Spielraum für Fehler.
- Die Bewertungsunterschiede dürften Aktien außerhalb der USA weiterhin vergleichsweise attraktiv machen.
- Veränderungen in der Globalisierung und in den Investitionszyklen können zu einer größeren Streuung zwischen den Ländern führen.
- Eine zunehmende globale Diversifizierung könnte sich in Zeiten größerer zyklischer Volatilität und Divergenz zwischen den einzelnen Ländern als Schlüssel zur Risikominderung erweisen.
- Die Indexkonzentration wird sowohl Risiken als auch Chancen für aktive Manager bieten. In den USA sollten Anleger einen „Hantel“-Ansatz in Erwägung ziehen, der neben Sektoren, die durch Makro- und Zinsängste unter Druck geraten sind, wie Small Caps, Gesundheits- und Versorgerwerte, auch die „Glorreichen 7“ des Jahres 2023 berücksichtigt.
Die wichtigsten Fragen
Angesichts der anhaltenden Unsicherheit, die die Märkte und die makroökonomische Situation überschattet, sollten sich Anleger vor allem die folgenden Fragen stellen:
- Sind die Märkte zu optimistisch, was die Aussicht auf eine sanfte wirtschaftliche Landung angeht? Selbst wenn eine Rezession vermieden wird, bieten die aktuellen Bewertungen genügend Aufwärtspotenzial gegenüber einer risikofreien Rendite von 5% für US-Staatsanleihen?
- Höhere Erträge bei globalen Anleihen haben die Risikoaufschläge bei Aktien gedämpft. Wie attraktiv sind Aktien derzeit im Vergleich zu Anleihen und Bargeld?
- Im Jahr 2022 hatten die Anleger begonnen, Aktiensegmente und Sektoren, die seit der globalen Finanzkrise zurückgefallen waren, wieder positiver zu bewerten. Dazu zählten beispielsweise Substanzwerte, Small Caps, Energiewerte und die Emerging Markets. Im Jahr 2023 haben alle diese Bereiche unterdurchschnittlich abgeschnitten. Ist es jetzt an der Zeit, sich wieder zu engagieren?
- In den USA haben sich defensive Sektoren wie Versorgung, Gesundheit und Basiskonsumgüter im Jahr 2023 unterdurchschnittlich entwickelt, was zum Teil auf ihre langfristige Ausrichtung zurückzuführen ist. Bieten diese Sektoren nun eine Kombination aus Offensive und Defensive?
- Wurde das Potenzial der generativen KI überschätzt oder können diese Technologien tatsächlich langfristig Wachstum und Profitabilität steigern? Befinden sich stark auf KI ausgerichtete Unternehmen derzeit in einer Blase, und wenn ja, in welchem Stadium?
- Welche anderen potenziellen systemischen Risiken könnten sich für Gewerbeimmobilien, Private Credit/Equity sowie Unternehmens- und Staatsanleihen ergeben, wenn die Zinsen über einen längeren Zeitraum hinweg erhöht bleiben?
Fazit
Wie bereits in unserem Ausblick zur Jahresmitte 2023 beschrieben, sehe ich nach wie vor eine Verschiebung des Marktumfelds, die eindeutig im Gange ist. Mit Blick auf 2024 rechne ich für das kommende Jahr mit einem geringeren, aber stetigen Wachstum der Wirtschaft und einer sich abschwächenden Inflation. Daher erwarte ich, dass sich die Konzentration an den US-Aktienmärkten ausweiten wird und dass eine höhere zyklische Volatilität und Streuung aktiven Managern mehr Möglichkeiten bieten wird, Alpha zu generieren. Bewertungsunterschiede zwischen einzelnen Regionen und Marktkapitalisierungssegmenten bieten ebenfalls einen möglichen Ansatzpunkt, um Aufwärtspotenzial zu nutzen. Japan, Europa und die Emerging Markets erscheinen attraktiv, ebenso wie makro- und zinssensitive Segmente und Sektoren. Und da sich die Weltwirtschaft wieder auf ein „Goldlöckchen“-Umfeld zubewegt, bin ich optimistisch, dass 2024 insgesamt ein gutes Jahr für die Aktienmärkte werden könnte.