Trotz der aktuellen Marktpreise haben viele der Faktoren, die in den letzten drei Jahrzehnten zu einer hohen Synchronität der Zentralbankmaßnahmen beigetragen haben, unseres Erachtens keinen Bestand mehr oder sie kehren sich allmählich um. Daher erwarten wir, dass sich die Verknüpfungen zwischen den Ländern, die Politik der Zentralbanken und die Preisbildung an den Märkten verändern werden, was potenziell attraktive Möglichkeiten für ein aktives Portfoliomanagement und die Titelauswahl schafft.
Unser Standpunkt stellt viele Annahmen infrage, die sich in den letzten Jahrzehnten bewährt haben, insbesondere die folgenden:
- Die Entwicklung des US-Konsumsektors bestimmt das weltweite Wachstum: Seit Ende der 1990er Jahre hat sich das Wachstum weltweit stark angeglichen, und es hat sich eine klare Wertschöpfungskette herausgebildet. Die USA sind der wichtigste Abnehmer von Konsumgütern aus China sowie von Investitionsgütern aus Deutschland und Japan. Dies hatte zur Folge, dass ein Konjunkturumschwung in den USA in der Regel von der übrigen Welt mit etwas Verzögerung nachvollzogen wurde. Außerdem folgten die Zentralbanken der übrigen Länder aus diesem Grund häufig einfach dem Beispiel der US-Notenbank Fed. Dies dürfte sich nun jedoch ändern. Unsere Analysen deuten darauf hin, dass wir uns wieder auf ein Umfeld zubewegen, in dem sich der Wachstumsmotor der großen Wirtschaftsakteure, insbesondere Europas, Japans und Chinas, vom Export zu einer stärkeren Binnennachfrage verlagert. Zudem gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass in diesen Regionen der Dienstleistungssektor nun am wichtigsten für das Wachstum geworden ist und nicht mehr das verarbeitende Gewerbe.
- Globalisierungsbedingte Kapitalströme haben eine Konvergenz der Zentralbankpolitik erzwungen: Wenn sich eine Zentralbank in der Ära der vom US-Konsum getriebenen Globalisierung zu weit vom Kurs der Fed entfernte, wertete ihre Währung auf und bremste damit im Grunde das Exportwachstum. Unserer Ansicht nach wird sich die Einstellung der Währungshüter zur Währungsstärke in Zukunft ändern, wenn die Inflation hoch ist und nicht mehr als gefährlich niedrig wahrgenommen wird. Ein aktuelles Beispiel: Mitte 2022 beendete die Schweizerische Nationalbank die Negativzinsphase. Seitdem hat sie den Schweizer Franken gegenüber einem breiten Korb von Industriestaatenwährungen aufwerten lassen, um die wieder anziehende Inflation zu bekämpfen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels hält die Bank of Japan zwar noch an ihrer Negativzinspolitik fest, sie dürfte unseres Erachtens aber zu einer restriktiveren Politik übergehen (und möglicherweise die Negativzinspolitik und die Kontrolle der Renditekurve aufgeben), da sich in Japan weiterhin ein „nachhaltiger“ Inflationsdruck aufbaut.
- Den Zentralbanken mangelt es an unabhängigem Denken: Die großen Zentralbanken außerhalb der USA haben sich daran gewöhnt, dem Beispiel der Fed zu folgen und deren Reaktionsmuster zu kopieren. In Zeiten niedriger Inflation mag das kein Problem sein, aber in der heutigen Welt wird es sehr viel schwieriger, sich in der „Herde“ zu verstecken – insbesondere wenn die Inflation in einigen Ländern hoch ist. So ist Europa von den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor weit weniger betroffen als die USA, und insbesondere die Europäische Zentralbank (EZB) hat noch einen gewissen Weg vor sich, bevor sie mit ihren Zinserhöhungen pausieren kann. Die spätzyklische Dynamik der US-Wirtschaft deutet dagegen darauf hin, dass sich die Fed dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus nähert.
Abbildung 2 veranschaulicht diese zunehmenden Unterschiede. Die Grafik zeigt, dass die jüngste Beschleunigung der globalen Geldmenge – definiert als Bargeld und kürzerfristige kündbare Einlagen (M2) – in China, Europa und Japan den Rückgang in den USA mehr als ausgeglichen hat.