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Wertschöpfung in unsicheren Zeiten: Chancen am europäischen High-Yield-Markt

Konstantin Leidman, CFA, Fixed Income Portfolio Manager
Jillian Rooney, Investment Specialist
2022-12-31
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Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Andere Teams können unterschiedliche Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert eines Investments kann gegenüber dem Zeitpunkt des ursprünglichen Investments steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Die Finanzmärkte sind bereits seit Anfang 2022 starken Schwankungen unterworfen. Nach zwei Jahren mit hohen Erträgen und wenig Volatilität sehen sich die Marktteilnehmer derzeit mit einem Umfeld konfrontiert, in dem die Zentralbanken allmählich von ihrer lockeren Geldpolitik nach der COVID-Pandemie abrücken, während Stagflations- und geopolitische Risiken zunehmen. Die Schlagzeilen zeichnen zwar ein düsteres Bild, jedoch fällt unsere Einschätzung der möglichen Entwicklung des europäischen Wachstums und der Inflation für das Gesamtjahr 2022 optimistischer aus. Vor diesem durch stärkere Unsicherheiten geprägten Hintergrund rechnen wir mit einer größeren Volatilität bei den Spreads und bei den Zinsen, erwarten aber keinen Zahlungsausfallzyklus. In positiver Hinsicht bieten europäische High-Yield-Anleihen bedeutsame regelmäßige Einkünfte und weisen eine relativ geringe Zinssensitivität auf. Die jüngste Ausweitung der Spreads hat für Anleger, die Wert auf regelmäßige Einkünfte und Gesamterträge legen, eine potenziell attraktive Einstiegsgelegenheit in den europäischen High-Yield-Markt geschaffen.

Eine europäische Anlagelandschaft in Bewegung

Seit der globalen Finanzkrise hat die Europäische Zentralbank (EZB) das Finanzsystem mit quantitativen Lockerungsmaßnahmen unterstützt. Dabei lieferte sie nicht nur Liquidität, sondern hielt auch die Volatilität niedrig. In jüngster Zeit musste die EZB jedoch ihre expansive geldpolitische Haltung wegen des zunehmenden Inflationsdrucks im Zuge der COVID-19-Krise überdenken. Dieser Trend wurde durch Russlands Einmarsch in der Ukraine verschärft. Die europäischen Rohstoffpreise stiegen in der Folge stark an, und die Region ist nun bestrebt, ihre Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu verringern. 

Die steigende Inflation dürfte zwar die Konjunkturaussichten belasten, jedoch rechnen wir für das Jahr 2022 immer noch mit einem positiven Wachstum in Europa. Selbst nach Anpassung unserer Schätzungen angesichts des doppelten Schocks durch den Russland-Ukraine-Krieg und den Konjunkturabschwung in China gehen wir mit Blick auf die Eurozone von einem Wachstum zwischen 2% und 3% im Jahr 2022 aus. Darüber hinaus dürfte die Inflation, auch wenn sie sich gegenwärtig auf hohem Niveau befindet, über den Rest des Jahres 2022 auf rund 2,5% sinken.

Unser unternehmensinternes Bewertungssystem für die Anfälligkeit von Ländern, das die Bonität anhand von sechs wichtigen makroökonomischen Faktoren beurteilt, stuft Europa derzeit sogar positiv ein. Dies geht aus Abbildung 1 hervor, in der die fundamentale Gesamtbewertung Europas im historischen Vergleich dargestellt wird. Auf Basis dieser Analyse sind die Fundamentaldaten europäischer Unternehmen nach wie vor intakt. Wir betrachten jede weitere Ausweitung der Kreditspreads somit als vorteilhaft für das europäische High-Yield-Segment.

Abbildung 1
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Anlagechancen durch Bottom-Up-Research und Nachhaltigkeitsdaten

In diesem volatilen Umfeld ist unseres Erachtens ein detailliertes Fundamentalresearch unerlässlich, um Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen zu identifizieren, die eine weitere Verbesserung der Kreditfundamentaldaten bewirken können. Seit Beginn der COVID-19-Krise haben sich europäische High-Yield-Emittenten vorrangig auf die Verbesserung der Bilanzen konzentriert. Heute beobachten wir bei einigen Emittenten jedoch eine Tendenz zu einer aggressiveren Finanzpolitik: Bei der Verwendung von Emissionserlösen für Dividendenausschüttungen und zur Finanzierung von Übernahmen ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen.

Die sich rapide verschärfenden europäischen Regulierungsvorschriften in Bezug auf Nachhaltigkeit dürften die Lücke zwischen den Unternehmen mit der besten und der schlechtesten Performance in diesem Anlageuniversum noch vergrößern. Mit Blick auf die Anlegertrends in Reaktion auf diese Vorschriften gehen wir davon aus, dass Unternehmen mit besseren ESG-Kennzahlen höhere Kapitalzuflüsse verzeichnen werden. Die Fähigkeit, durch Fundamentalresearch die Emittenten mit dem vielversprechendsten ESG-Potenzial zu identifizieren, kann unseres Erachtens ein wichtiger Faktor beim Erzielen von Zusatzerträgen für europäische High-Yield-Portfolios sein. Wir beziehen ESG-Themen daher in unseren Titelauswahlprozess ein, um Unternehmen mit dem Potenzial für eine attraktive langfristige Performance zu ermitteln. Über unser Research haben wir herausgefunden, dass soziale Faktoren wie die Unternehmenskultur und die Mitarbeiterzufriedenheit sich am unmittelbarsten auf die Fähigkeit eines Unternehmens auswirken, nachhaltige Cashflows zu generieren. Dies ist teilweise dadurch bedingt, dass Unternehmen mit einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit tendenziell eine geringere Personalfluktuation und stärkere kulturelle Werte haben, was zu einer produktiveren und erfahreneren Belegschaft führt.

Aktuelle Chancen am europäischen High-Yield-Markt

Der jüngste Anstieg der Volatilität hat sowohl auf die Zins- als auch auf die Credit-Märkte Aufwärtsdruck ausgeübt, wodurch sich die Option-Adjusted Spreads für High-Yield-Anleihen in Euro zum 31. Mai auf 474 Basispunkte ausweiteten. Die Spreads von auf Euro lautenden High-Yield-Anleihen liegen derzeit, gemessen am ICE BofA Euro High Yield Constrained Index, im Vergleich zur Vergangenheit im 71. Perzentil. In der Anlageklasse bieten sich demnach attraktive Kaufgelegenheiten. Dies gilt besonders für Anleger mit einem Fokus auf regelmäßigen Einkünften und Gesamterträgen, da High-Yield-Anleihen im Vergleich zu Staats- und Investment-Grade-Anleihen deutlich höhere Renditen bieten (siehe Abbildung 2 unten). Ein weiterer Vorteil besteht in ihrer geringeren Volatilität im Vergleich zu Aktien.

Abbildung 2
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Da die EZB ihren Kurs in Richtung einer weniger expansiven Geldpolitik fortsetzt, rechnen wir mit einem weiteren Anstieg der Renditen. Mit Blick auf den breiteren Rentenmarkt könnte dies speziell europäischen High-Yield-Anleihen zugutekommen, da diese Anlageklasse aufgrund ihrer im Allgemeinen kürzeren Laufzeiten im Vergleich zu herkömmlichen Rentenpapieren tendenziell unempfindlicher gegenüber steigenden Zinssätzen ist. Dieses Umfeld könnte für Investoren am europäischen High-Yield-Markt mit Zugang zu umfassender Expertise im Fundamentalresearch eine attraktive Gelegenheit bieten, ihre Portfolios neu zu positionieren, um in einer sich schnell wandelnden Welt optimal aufgestellt zu sein.

Experten

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Konstantin Leidman

, CFA

Fixed Income Portfolio Manager
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Jillian Rooney

Investment Specialist