Seitdem die japanische Zentralbank (Bank of Japan, BoJ) im Dezember 2022 ihr Reglement zur Kontrolle der Zinsstrukturkurve geändert hat, erwarten die Anleger eine weitere Normalisierung der Geldpolitik. Die Ernennung von Kazuo Ueda zum Chef der BoJ im Februar und sein Amtsantritt im April hatten Spekulationen über eine bevorstehende Neuausrichtung aufkommen lassen. Die Anleger wurden jedoch enttäuscht, da die BOJ ihre expansive Politik fortsetzte. Nun hat die BoJ eine weitere Anpassung angekündigt, die der Wendepunkt sein könnte, auf den die Märkte gewartet haben. Der Schritt könnte erhebliche Auswirkungen auf Anleger weltweit haben. Nachfolgend gehen wir näher auf die Gründe dafür ein.
Was hat sich verändert?
Die jüngste geldpolitische Erklärung stellt einen formellen und wichtigen Schritt in Richtung Normalisierung dar, der vor folgendem Hintergrund zu sehen ist:
- Das Lohnwachstum in Japan hat ein Niveau erreicht, das zuletzt 1994 verzeichnet wurde;
- Die Gesamtinflation liegt derzeit über dem Niveau der USA; und
- Der Dienstleistungssektor zeigt eine starke Dynamik.
Zum ersten Mal hat die BoJ sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsrisiken für die Inflation erwähnt, und obwohl die erwartete Spanne für die Zinsstrukturkurve technisch unverändert bei ±0,50% liegt, hat die BoJ bestätigt, dass sie Renditen von bis zu 1% zulassen wird.
Warum ist das wichtig?
Die Kontrolle der Zinsstrukturkurve ist ein wesentliches Element der japanischen Geldpolitik. Dabei versucht die BoJ, die Rendite japanischer Staatsanleihen mit Laufzeiten bis zu 10 Jahren durch Anleihenkäufe am offenen Markt zu steuern. Erklärtes Ziel dieser Politik ist die Bekämpfung der Deflation und die Förderung der Inflation. Die BOJ verfolgt seit langem explizit das Ziel, mit einem „bewusst unverantwortlichen“ geldpolitischen Maßnahmenmix das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Inflation in die japanische Wirtschaft zurückzubringen.
Der formelle Kurswechsel der BOJ ist ein erstes Eingeständnis der politischen Entscheidungsträger, dass die Inflation in die japanische Wirtschaft zurückkehrt. Während die Inflation weltweit gegenüber den hohen Werten des Vorjahres allmählich zurückgeht, steigen die Preise in Japan weiter an. So legte der Verbraucherpreisindex für Tokio zuletzt überraschend auf 4% zu und erreichte damit den höchsten Stand seit 1982.
Die faktische Ausweitung des Zielbands für die Zinsstrukturkurvenkontrolle dürfte die Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen deutlich nach oben treiben – seit der Ankündigung haben die Renditen bereits ein Niveau erreicht, das zuletzt 2014 zu beobachten war. Während die BOJ weiterhin auf die Notwendigkeit finanzieller Stabilität bedacht ist und das Tempo der Zinsanpassung auf 1% genau beobachten wird, herrscht am Markt Einigkeit darüber, dass eine solche Anpassung inzwischen nahezu unvermeidlich ist.
Im Laufe der Zeit könnte dies auch eine Stärkung des japanischen Yen (JPY) zur Folge haben, der zuletzt an Wert verloren hatte (Abbildung 1). Im Oktober 2022 führte die unveränderte Haltung der BoJ sogar dazu, dass der USD/JPY-Wechselkurs die psychologisch wichtige Marke von 150 JPY überschritt, was das Finanzministerium dazu veranlasste, die Währung durch umfangreiche Eingriffe in den Markt zu stützen. Auf kurze Sicht könnten wir jedoch eine anhaltende Schwäche des JPY erleben, da die Währung zu einer Art Ventil für die anhaltenden Unterschiede zwischen der japanischen Politik und dem Rest der Welt wird.