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Ein wichtiges Wahlergebnis für Deutschland und Europa

Eoin O'Callaghan, Macro Strategist
Nicolas Wylenzek, Macro Strategist
Februar 2025
5 Min. Lesezeit
2026-02-28
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Deutschland, Berlin, Blick vom Marie-Elisabeth-Lüders Haus über die Spree auf den Reichstag und Paul-Löbe-Haus bei Sonnenuntergang

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen der Autoren zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert einer Anlage kann gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Investition steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Wie in den Meinungsumfragen vorhergesagt, hat die Union aus CDU und CSU die Bundestagswahl 2025 gewonnen, und Parteichef Friedrich Merz dürfte der nächste Bundeskanzler werden. 

Angesichts des starken Abschneidens der extrem rechten Alternative für Deutschland (AfD) und der deutlichen Zugewinne der extrem linken Partei Die Linke verfügen die etablierten Parteien jedoch nicht mehr über die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Parlament, um die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse zu reformieren – die seit 2009 geltenden strengen Haushaltsregeln. Ohne diese Reform könnte es Deutschland aber schwerfallen, die strukturellen Probleme, mit denen das Land und damit auch Europa konfrontiert ist, entschlossen anzugehen. Wie die neue deutsche Regierung diese Herausforderung bewältigt, ist daher eine Schlüsselfrage, die die Aufmerksamkeit der Anleger verdient.

Analyse der Wahlergebnisse

Wie Abbildung 1 zeigt, war die bisherige Koalition aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Liberalen (FDP) der klare Verlierer dieser Wahl. Die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz erlitt einen Verlust historischen Ausmaßes, während die FDP die für den Einzug in den Bundestag erforderliche Mindesthürde von 5 Prozent nicht erreichte. Die AfD hingegen setzte ihren kontinuierlichen Aufstieg fort und wurde mit 20,8 Prozent der Stimmen – doppelt so viel wie 2021 und 5 Prozent mehr als bei der EU-Wahl im vergangenen Jahr – zweitstärkste Partei in Deutschland. Auch Die Linke schnitt gut ab, während Sahra Wagenknechts populistische und sehr weit links angesiedelte BSW nur knapp an der Mindesthürde scheiterte.

Abbildung 1

Könnten Nicht-US-Aktien allmählich eine bessere Performance als US-Aktien zeigen?

In der Vergangenheit hat die Bildung einer Regierung in Deutschland zwischen einem und sechs Monaten gedauert. Aber das Ausmaß der heutigen geopolitischen Unsicherheit und die begrenzte Zahl der realisierbaren Koalitionsoptionen machen nun eine schnelle Regierungsbildung erforderlich. Friedrich Merz hat sein Ziel bekräftigt, bis Ostern im Amt zu sein, und wird wahrscheinlich versuchen, eine Zweiparteienkoalition mit der SPD zu bilden.

Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen wird die extreme Rechte in dieser neuen Regierung keine Rolle spielen. Dennoch stellt der weitere Aufstieg der AfD ein Risiko für die nächste Wahl dar. Im Moment hält die sogenannte Brandmauer zwar noch, aber der Status als größte Oppositionspartei könnte den weiteren Aufstieg der AfD begünstigen. Darüber hinaus wirft ihre Dominanz in Ostdeutschland auch Fragen über die anhaltende Ost-West-Spaltung auf. Merz wird daher sicherstellen müssen, dass seine Koalition für etwas anderes steht, als nur die AfD von der Macht fernzuhalten. Andernfalls könnte die Partei bei der nächsten Wahl eine deutlich größere Bedrohung darstellen und das Regieren in Deutschland zunehmend schwieriger machen.

Was wir beobachten

Vorübergehende fiskalpolitische Lockerungen durch eine notfallmäßige Aufhebung der verfassungsmäßigen Schuldenbremse scheinen plausibel. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob Merz größere, dauerhaftere Änderungen an der Schuldenbremse vornehmen wird. 

Auf dem Papier sieht das schwierig aus. Die etablierten Parteien verfügen nicht über die erforderliche Zweidrittelmehrheit, um entweder einen neuen verfassungsrechtlich geschützten Investitionsfonds zu schaffen oder die Regeln selbst zu lockern. Die Linke – die de facto nun ein Vetorecht hat – ist nicht gegen eine Änderung der Schuldenbremse, könnte aber entweder Vorschläge aus politischen Gründen blockieren oder nur schwer akzeptierbare Beschränkungen für zusätzliche Verteidigungsausgaben oder die Unterstützung der Ukraine fordern. 

Es gibt jedoch immer noch einen Weg, der in den kommenden Quartalen zu einer größeren finanzpolitischen Veränderung in Deutschland führen könnte. Merz prüft angeblich die Möglichkeit, die letzten Wochen der laufenden Legislaturperiode, in der die Parteien der Mitte über eine komfortable Zweidrittelmehrheit verfügen, für die Verabschiedung eines neuen verfassungsrechtlich geschützten Militärfonds in Höhe von 200 Milliarden Euro zu nutzen. Nachdem das geschafft ist, könnte die CDU/CSU versuchen, im nächsten Parlament mit der Linken zusammenzuarbeiten, um die Haushaltsregeln zu lockern. Ein möglicher Kompromiss könnte höhere Sozialausgaben beinhalten. 

Kurz gesagt, die Aussichten für die deutsche Finanzpolitik sind nach wie vor zweigeteilt: Entweder bleibt die Finanzpolitik strukturell restriktiv und die Schuldenbremse bleibt unverändert, oder sie wird expansiver als die Märkte derzeit erwarten.

Was mit den Haushaltsregeln geschieht, hat erhebliche Auswirkungen auf die Wachstumsaussichten Deutschlands. Die strengen Haushaltsregeln des Landes sind nicht die eigentliche Ursache für das schwache Wachstum, aber sie tragen wesentlich zu der vorherrschenden Malaise bei. Die öffentlichen Investitionen in Deutschland gehören zu den niedrigsten in Europa. Und die strukturell restriktive Finanzpolitik hat es Deutschland erschwert, von einem exportorientierten Wachstumsmodell zu einem ausgewogeneren Modell überzugehen, bei dem die Binnennachfrage eine größere Rolle spielt. 

Auswirkungen auf Europa

Je mehr Die Linke dem neuen Kanzler das Leben schwer macht, desto mehr könnte Merz nach europäischen Lösungen suchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bestehende europäische Programme wie der Europäische Stabilitätsmechanismus und der Aufbauplan NextGenerationEU wiederverwendet werden, ist daher gestiegen. Dennoch könnte der Mangel an fiskalischer Flexibilität die Fähigkeit Deutschlands einschränken, neue Initiativen zu ergreifen. 

Mit Blick auf die Zukunft könnte diese Legislaturperiode die letzte Gelegenheit für Deutschlands etablierte Parteien sein, die Wähler davon zu überzeugen, in der politischen Mitte zu bleiben und das europäische Projekt zu unterstützen. Jedes weitere Erstarken der AfD und ihre Fähigkeit, die Brandmauer zu durchbrechen, würde das existenzielle Risiko für Europa verstärken. 

Kurzfristige Implikationen für Investitionen 

Bei festverzinslichen Wertpapieren geht der Markt nach unseren Schätzungen von einer 60-prozentigen Chance aus, dass die nächste Regierung in der Lage sein wird, die Schuldenbremse zu lockern – basierend darauf, wie deutsche Anleihen im Vergleich zu ähnlichen festverzinslichen Wertpapieren und Swaps gehandelt wurden. Dies deutet auf möglichen Spielraum für einen weiteren Ausverkauf bei deutschen Staatsanleihen hin, wenn es Merz gelingt, einen neuen Militärfonds durchzusetzen und die Schuldenbremse mit Hilfe von Die Linke zu ändern. Andererseits könnten die Bedenken über die Tragfähigkeit des Euroraums wieder aufleben und die stärker verschuldeten Mitglieder erneut unter Druck setzen, wenn Deutschland nicht zu einer Stärkung des europäischen Zusammenhalts beitragen kann.

Aus der Aktienperspektive dürfte selbst eine bescheidene fiskalische Lockerung den bisher unterdurchschnittlich abschneidenden Anlagen helfen. Während sich der DAX mit einer Rendite von rund 50 Prozent in den letzten zwei Jahren als widerstandsfähig erwiesen hat, ist diese solide Performance hauptsächlich auf das internationale Engagement des Index zurückzuführen. Im Gegensatz dazu wird der eher inländisch orientierte MDAX auf 12-Monats-Basis immer noch mit einem Abschlag gegenüber dem DAX gehandelt. Dies war zuletzt auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise der Fall. Das deutet darauf hin, dass ein selektives Engagement in inländischen deutschen Aktien immer noch bedeutendes Potenzial bieten könnte, falls die neue Regierung in der Lage ist, einen kohärenten Reformplan vorzulegen. Infrastruktur- und Bauwerte könnten von verstärkten Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und bezahlbaren Wohnraum profitieren. Verteidigungstitel sind ein weiterer potenzieller Nutznießer, wenn die Militärausgaben angehoben werden. In geringerem Maße könnten auch der Automobil- und der Chemiesektor profitieren. Beide Branchen befinden sich zwar in einem strukturellen Niedergang, sind aber nach wie vor wichtige Arbeitgeber – und die etablierten Parteien werden bestrebt sein, den Aufstieg extremistischer Parteien in den industriellen Hochburgen Deutschlands zu verhindern.

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Eoin O'Callaghan

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