Sind Rentenanleger bereit für eine industrielle Revolution in den USA?

Connor Fitzgerald, CFA, Fixed Income Portfolio Manager
6 Min. Lesezeit
2025-11-30
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Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen des Autors bzw. der Autorin zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert einer Anlage kann gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Investition steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger. 

Eine der Schlüsselfragen, die die Märkte derzeit zu beantworten versuchen, lautet: Werden die Zentralbanken es schaffen, eine sanfte Landung der Weltwirtschaft herbeizuführen? Auch wenn dies eine wichtige Überlegung ist, sollten Anleger meiner Meinung nach die breiteren strukturellen Umwälzungen, die die Investmentlandschaft in diesem neuen Wirtschaftszeitalter momentan grundlegend verändern, nicht außer Acht lassen. Nehmen wir zum Beispiel den massiven Anstieg aller Arten von Unternehmensinvestitionen, den wir in den USA beobachten. Wenn dieser Trend anhält, könnte er meines Erachtens eine neue industrielle Revolution in den USA und darüber hinaus auslösen, mit erheblichen Auswirkungen auf festverzinsliche Anlagen.

Eine potenziell strukturelle Entwicklung

Meiner Meinung nach ist der starke Anstieg der Investitionsausgaben, den wir heute beobachten, kein vorübergehendes Phänomen. Vielmehr beruht er auf langfristigen Faktoren, beispielsweise: 

  • Die rasante Entwicklung der KI, die zu einem exponentiellen Anstieg der Investitionsausgaben der Unternehmen führt, der weit über den Konsensschätzungen liegt.
  • Die Deglobalisierung, ausgelöst durch eskalierende geopolitische Rivalitäten, insbesondere zwischen China und den USA, und Besorgnis über die Anfälligkeit globaler Lieferketten.
  • Die steigende Stromnachfrage, die durch die energieintensive KI und die Rückverlagerung von Produktionskapazitäten (Reshoring) verstärkt wird.
  • Die Elektrifizierung des Netzes in Verbindung mit kontinuierlichen Investitionen in alternative Energiequellen.
  • „Revenge Spending“ für Sachanlagen nach einer längeren Phase zu geringere Investitionen, in der die Märkte weniger kapitalintensive Geschäftsmodelle mit einem Schwerpunkt auf Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie geistiges Eigentum bevorzugt haben.

Impulse für ein höheres Wirtschaftswachstum

Zusammengenommen sind diese zusätzlichen privaten Investitionen in Nichtwohnimmobilien (Abbildung 1) so groß, dass sie den Kurs der US-Wirtschaft erheblich verändern könnten. Investitionen in physische Vermögenswerte haben in der Regel einen viel größeren positiven Multiplikatoreffekt auf das Wirtschaftswachstum als die weniger kapitalintensiven Geschäftsmodelle, die den Markt bisher dominiert haben. 

Abbildung 1

Zusammentreffen mehrerer positiver Faktoren

Angesichts der langen Geschichte von Fehlstarts für eine industrielle Renaissance in den USA und der Gefahr, dass zunehmende geopolitische Turbulenzen die Weltwirtschaft aus der Bahn werfen könnten, ist es noch zu früh, um einschätzen zu können, ob diese neue industrielle Revolution tatsächlich stattfinden wird. Dennoch sehe ich mehrere Gründe, warum die Daten im Vergleich zu den Umfragen bislang positiv überrascht haben, u.a: 

  • Die Art der Investitionsausgaben: Die angekündigten Summen übersteigen schon jetzt die Ausgaben der letzten Investitionswelle, als die Schiefergasproduktion hochgefahren wurde. Allein aufgrund der zugesagten Beträge ist in den nächsten Jahren mit einem über der Inflationsrate liegenden Wachstum der privaten Ausgaben für Strukturen außerhalb des Wohnimmobilienbereichs zu rechnen. Ein wichtiger Faktor: Einige der Mega-Caps sind in der Lage, ihre Investitionsausgaben ohne Fremdmittel zu finanzieren und damit die öffentlichen Kreditmärkte zu umgehen, die inzwischen weniger bereit sind, kapitalintensive Infrastrukturprojekte mit langen Amortisationszeiten zu finanzieren.
  • Produktivitätsgewinne durch Investitionen in KI: KI führt bereits zu Produktivitätssteigerungen, und die Unternehmen berichten von einer wesentlich schneller erwirtschafteten Kapitalrendite (ROI) als bei früheren technologischen Durchbrüchen. Diese Beschleunigung der ROI wiederum reduziert den Bedarf an externer Finanzierung weiter.
  • Die Dringlichkeit und der Umfang der erforderlichen Investitionen: Nachdem lange Zeit zu wenig investiert wurde, besteht nun ein dringender Bedarf an Sachinvestitionen, um die veraltete Infrastruktur der USA zu modernisieren.
  • Die Widerstandsfähigkeit der US-Verbraucher: Eine Abschwächung des US-Konsums würde einen Großteil der zusätzlichen Wachstumsdynamik zunichtemachen, die sich aus dieser beginnenden industriellen Revolution ergibt, da die Konsumausgaben für die Gesamtwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind. Deshalb beobachte ich dieses Risiko sehr genau. Trotz einiger Anzeichen für eine erhöhte Anfälligkeit scheinen die Verbraucher jedoch – selbst im unteren Einkommenssegment – widerstandsfähiger zu sein, als die Märkte annehmen. Die Verbraucherbilanzen sind nach wie vor solide, auch wenn die überdurchschnittlich hohen Ersparnisse inzwischen weitgehend aufgebraucht sind. KI könnte zwar letztlich zu Arbeitsplatzverlusten führen, aber die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer hat sich zumindest vorerst erhöht. Viele Verbraucher profitieren weiterhin vom Vermögenseffekt der gestiegenen Immobilienpreise, während die Realeinkommen dank der rückläufigen Inflation weiter steigen.

Insgesamt glaube ich daher, dass die US-Wirtschaft strukturell gut aufgestellt ist, um ein unerwartet hohes Wachstum zu erzielen, und dass selbst im Falle einer Rezession diese wahrscheinlich nicht sehr ausgeprägt wäre. 

Wichtige Implikationen für die Geldpolitik 

Diese strukturelle Wachstumsdynamik fällt mit einer nach wie vor außerordentlich lockeren Fiskalpolitik und einer steigenden Staatsverschuldung in weiten Teilen der entwickelten Welt zusammen. Und obwohl die Zentralbanken einen Lockerungszyklus zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums eingeleitet haben, liegt die Inflation in vielen Fällen weiterhin über den Zielvorgaben und wird wahrscheinlich wieder ansteigen. Ich gehe daher davon aus, dass die Zinsstrukturkurve letztendlich einen steileren Verlauf nehmen wird und die Zinsen auf einem höheren Niveau bleiben werden, als es die Märkte derzeit einpreisen. Zumal eine Kombination aus hartnäckiger Inflation und der Notwendigkeit, die staatlichen Defizite weiter zu finanzieren, den Spielraum der US-Notenbank und anderer Zentralbanken in Industrieländern für Zinssenkungen einschränken wird. Die letztendliche Anpassung an diese Realität, die unsere Makrostrategen als „das neue Wirtschaftszeitalter“ bezeichnen – mit höherer und volatilerer Inflation und kürzeren und stärker ausgeprägten Konjunkturzyklen – wird unweigerlich zu mehr Volatilität führen.  

Portfoliopositionierung für diese neue Realität

Wie können sich Anleger für die erheblichen Chancen und Risiken, die dieses neue Umfeld mit sich bringt, positionieren? Es gibt sicherlich keine einheitliche Antwort, aber meiner Meinung nach ist ein Total-Return-Ansatz, der dynamische Umschichtungen innerhalb eines breiten Anlageuniversums ermöglicht, ein potenziell attraktiver Weg.

Konkret glaube ich, dass ein solcher Ansatz den Anlegern in dieser unvorhersehbaren Phase des Zyklus Folgendes ermöglicht:

  • Vermeidung übermäßiger Kredit- oder Durationsrisiken bei gleichzeitiger Erwirtschaftung attraktiver Renditen durch Positionen am kurzen Ende der Kurve und außerhalb der Segmente des Kreditmarktes, in denen die Spreads meiner Meinung nach extrem eng geworden sind.
  • Vermeidung von „Alles-oder-Nichts-Entscheidungen“ darüber, ob wir eine Fortsetzung der Wachstumsüberraschungen oder ein Abgleiten in die Rezession erleben werden.
  • Keines der beiden Szenarien sollte ignoriert werden. Ich bin zwar optimistisch, dass sich das Wachstumsszenario durchsetzen wird, denke aber, dass eine solche Positionierung Anlegern auch die Möglichkeit bietet, von der damit verbundenen Volatilität zu profitieren, wenn andere Marktteilnehmer möglicherweise zu Verkäufen gezwungen werden. Diese Flexibilität könnte sich als besonders vorteilhaft erweisen, wenn wir tatsächlich in eine neue Ära der Industrialisierung eintreten, mit den USA als Epizentrum.

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Connor Fitzgerald

Connor Fitzgerald

, CFA

Fixed Income Portfolio Manager

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