Globaler Konjunkturausblick zur Mitte des Jahres 2024

Die G7-Länder haben bei der Reduzierung ihrer Haushaltsdefizite keine Eile an den Tag gelegt – das könnte sich rächen

John Butler, Macro Strategist
4 Min. Lesezeit
2025-06-30
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Dies ist ein Auszug aus unserem Investmentausblick, in dem Spezialisten aus verschiedenen Bereichen unserer Investmentplattform ihre Einblicke in die Wirtschafts- und Marktkräfte vorstellen, die aus unserer Sicht die Entwicklung von Portfolios beeinflussen werden.

Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte 2024 und darüber hinaus beobachten wir die schuldenfinanzierten Staatsausgaben verschiedener Länder und ihr Potenzial, für einen Anstieg der Zinsen zu sorgen. Um ihre Volkswirtschaften während der COVID-Pandemie zu stützen, nahmen die Regierungen der Industrieländer beispiellose fiskalpolitische Stimulierungsmaßnahmen vor. Vier Jahre später wurden diese massiven Ausgaben immer noch nicht wirklich wieder zurückgefahren. Die Gründe sind zwar vielleicht zu rechtfertigen, ohne eine stärkere haushaltspolitische Disziplin könnten den Staaten aber früher oder später höhere Fremdkapitalkosten drohen. 

Sie haben aus zwei Gründen die Reduzierung ihrer Defizite nur langsam in Angriff genommen: 

  1. Um die Konjunkturerholung gegen zusätzliche Schocks abzuschirmen (z.B. europäische Staatsausgaben zum Schutz der Verbraucher gegen einen Anstieg der Gaspreise).
  2. Der Klimawandel und die Verteidigung stellen neue strukturelle Anforderungen an die Staatsausgaben.

Darüber hinaus tendieren Politiker in Wahljahren zu höheren Ausgaben, und der massive globale Wahlzyklus in diesem Jahr in verschiedenen Industriestaaten stand einer restriktiveren Haushaltspolitik im Wege. Daten von LSEG Datastream (Abbildung 1) zeigen, dass das konjunkturbereinigte Defizit der Industriestaaten bei fast 7% des geschätzten BIP liegt; dies ist so hoch wie zum Höhepunkt der globalen Finanzkrise und ist nur marginal besser als die Haushaltsdefizite während der COVID-Pandemie.

Abbildung 1

Verschlechterung der Defizitdynamik 

In den vergangenen beiden Jahren war bei 85% der Industriestaaten ein Abweichen von den Haushaltsplänen („Fiscal Slippage“) zu beobachten. Nach unseren Berechnungen erfolgte in diesem Zeitraum eine durchschnittliche Abweichung von 4,5% des BIP. Bei Fiscal Slippage geht es einfach ausgedrückt um Abweichungen vom Haushaltskonsolidierungsplan einer Regierung. Besorgniserregend ist hierbei die Tatsache, dass diese großen Defizite zu einer Zeit aufgetreten sind, in der das nominale Wachstum aufgrund einer starken Inflationsdynamik floriert. Dieses starke nominale Wachstum hat die Steuereinnahmen der Länder erhöht, ihre Regierungen haben diese „Inflationsdividende“ aber nicht gespart, sondern ausgegeben, was eine deutliche Verschlechterung der haushaltspolitischen Widerstandsfähigkeit signalisiert. 

Anzeichen für die Neubewertung von Haushaltsrisiken durch den Markt

Die Inflation im Vereinigten Königreich bleibt zwar erhöht, britische Staatsanleihen haben sich aber auch noch nicht vollständig von der Haushaltskrise im Jahr 2022 erholt. Französische Staatsanleihen haben außerdem deutliche Neubewertungen durchlaufen, mit weiteren Spreads gegenüber deutschen und niederländischen Anleihen und engeren Spreads gegenüber Ländern wie Spanien, das ein vergleichbares Schuldenniveau, aber eine stärkere Defizitdynamik aufweist. 

Insgesamt scheint der Markt die Haushaltsrisiken aber trotz der zunehmend negativen Defizitschlagzeilen relativ gelassen zu sehen. Das könnte daran liegen, dass der Markt sich stärker auf die staatliche Schuldenquote konzentriert. In Europa gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass die Länderspreads stärker mit der Veränderung der Schuldenquote als mit Defizitdaten korrelieren.Die staatliche Schuldenquote hat sich sehr viel weniger negativ entwickelt, als es die oben erwähnte Abweichung von den Defizitplänen vermuten ließe, und zwar aus den folgenden Gründen:

  1. Die Laufzeitprämien sind weiterhin recht niedrig, was den Anstieg der Zinskosten begrenzt hat, und
  2. starkes nominales BIP-Wachstum hat dazu beigetragen, diese Schuldenquoten (durch den Nennereffekt) zu senken.

Implikationen für die Fremdkapitalkosten von Regierungen

Falls die Laufzeitprämien deutlicher steigen oder das nominale BIP eine Trendwende zeigt, würde diese robuste Dynamik bei der Schuldenquote schnell nachlassen, was die Aufmerksamkeit des Marktes auf sich ziehen könnte. Eine Verschlechterung des nominalen BIP hätte einen besonders großen Effekt, da sie sich sofort auswirken würde, wohingegen steigende Laufzeitprämien die durchschnittlichen Zinskosten angesichts längerer Laufzeiten nur langsam in die Höhe treiben. Es wäre vermutlich ein restriktiverer geldpolitischer Kurs erforderlich, bevor es zu einem deutlicheren Anstieg der Laufzeitprämien oder einer Verschlechterung des nominalen Wachstums kommt. 

Die Zentralbanken der Industriestaaten haben die hohe Inflation größtenteils als angebotsgetriebenes Phänomen betrachtet, das sich daher im Zeitablauf normalisieren sollte – sofern es keine Zweitrundeneffekte bei den Inflationserwartungen und der Lohnentwicklung gibt. Aus diesem Grund haben die geldpolitischen Entscheidungsträger gezögert, die Zinsen auf ein Niveau anzuheben, das für unter dem Trend liegendes Wachstum sorgen und die Konjunktur so stark bremsen würde, wie dies nötig wäre, um die Inflation wieder in den Bereich der Zielwerte sinken zu lassen. Sollte sich dies ändern (beispielsweise bei einer Neubewertung der Inflationsrisiken), und die Geldpolitik wäre in Relation zu den Wachstums- und Inflationsdaten deutlich restriktiver, dann könnte dies der Impuls für die Märkte sein, um sich mehr Sorgen über diese haushaltspolitische Dynamik zu machen. Dies gilt insbesondere für die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich, die hier am anfälligsten wirken.

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John Butler

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