Während die wirtschaftlichen Fundamentaldaten die Märkte verhältnismäßig ruhig stimmen, nehmen die politischen Unruhen in diesem wichtigen Wahljahr zu. Ob sich dies nachhaltig auf die Märkte auswirken wird, ist aber eine andere Frage. Wir scheuen es, politische Ergebnisse vorherzusagen. Mehr Vertrauen haben wir da in unsere Einschätzung, dass die fundamentalen Rahmenbedingungen — mit einem recht guten Wachstum, einer nachlassenden Inflation und einer glaubwürdigen Geldpolitik — von Bestand sein werden und trotz der hohen Bewertungen ein günstiges Umfeld für risikoreiche Anlagen schaffen. In den USA sehen wir Anzeichen für eine Wachstumsverlangsamung und etwas weniger freie Stellen an den Arbeitsmärkten. Die Inflation hält sich im Dienstleistungssektor noch immer hartnäckig, insbesondere im Wohnimmobilienbereich, befindet sich aber in einem Abwärtstrend. Das versetzt die US-Notenbank Fed in die Lage, die geldpolitischen Zügel früher oder später zu lockern, wodurch Aktien und Anleihen Unterstützung erhalten sollten.
Selbstverständlich darf auch das politische Geschehen nicht außer Acht gelassen werden. So versetzten der Erfolg der französischen Rechtspopulisten bei der Europawahl und die Ankündigung von Präsident Macron, die Wahlen vorzuziehen, die Anleihemärkte letzten Monat in Aufruhr. Die populistischen Ausgabenvorschläge des Rassemblement National, gepaart mit einem französischen Haushaltsdefizit von 5,5 Prozent des BIP, trieben die Renditedifferenz zwischen zehnjährigen französischen und deutschen Anleihen auf das höchste Niveau seit Anfang 2017, als Frankreichs Haushaltsprobleme zuletzt auf den Plan traten. Allerdings glauben wir nicht, dass daraus ein systemisches Problem erwächst, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens sehen wir keine Gefahr, dass die EU auseinanderbricht, obschon die Haushaltsregeln und der institutionelle Aufbau der Währungsunion vor Herausforderungen stehen. Zweitens können die Märkte den Politikern Disziplin auferlegen, wenn die Haushaltspolitik als zu verschwenderisch angesehen wird, wie 2022 in Großbritannien, 2017 in Frankreich und 2015 in Griechenland geschehen. Und selbst wenn es zu einer Krise käme, würde die Europäische Zentralbank (EZB) ab einem gewissen Anstieg der Risikoprämien vermutlich als Käufer der letzten Instanz auftreten. Wir werden auch in anderen Regionen Ausschau nach politisch bedingten Marktstörungen halten, glauben aber nicht, dass diese nachhaltig genug sein werden, um unsere Einschätzungen der kommenden zwölf Monate zu beeinflussen. Letzten Endes könnte ein gespaltener US-Kongress die Ausgaben einschränken, wohingegen die Wahlen in Großbritannien kein großes Ereignis für die Märkte darstellen sollten und die Aussichten sogar verbessern könnten.
Mit einem recht hohen Überzeugungsgrad in Bezug auf das positive fundamentale Umfeld bleiben wir bei einer leichten Übergewichtung für globale Aktien, wobei wir nicht länger eine regionale Präferenz hegen. Was Schwellenländeraktien betrifft, haben wir unsere Einschätzung auf neutral angehoben — die Bewertungen sind relativ günstig; nichtsdestotrotz werden die makroökonomischen Aussichten durch das politische Geschehen und die Verzögerung bei den US-Zinssenkungen belastet. Bei risikoreichen Anlagen geben wir außerdem High-Yield-Anleihen (HY) den Vorzug, bedingt durch die makroökonomischen Rahmenbedingungen und die Rolle, die niedrigere US-Renditen dabei gespielt haben, den Zugang zu Liquidität zu verbessern. Dabei hegen wir eine leichte Präferenz für europäische Titel, deren Spreads sich in Reaktion auf die politische Unruhe in Frankreich ausgeweitet haben. Bei Rohstoffen empfehlen wir in Bezug auf Öl eine leichte Übergewichtung, was dem Bestreben der OPEC, das Angebot am Markt knapp zu halten, und dem positiven Carry von Öl-Futures zuzuschreiben ist.
Was Staatsanleihen betrifft, wird unsere Empfehlung einer moderaten Long-Duration-Übergewichtung für die Industrieländer durch das verlangsamte Wachstum, die nachlassende Inflation und die bevorstehenden Lockerungsmaßnahmen der Zentralbanken untermauert. Das gilt nicht so ganz für Japan, wo sich die Notenbank (BoJ) nicht an den Inflationsdaten zu orientieren scheint, insbesondere angesichts der neuen Tiefstände des Yen. Die Zentralbank dürfte unseres Erachtens jedoch aufgrund der schwächeren Wachstumsdaten geduldig bleiben.
Aktien: Noch immer positiv – eine breitere Streuung wäre aber besser
Wir halten an einer moderaten Übergewichtung globaler Aktien fest. Denn während das US-Wirtschaftswachstum an Schwung verloren hat, geht es bei der Weltwirtschaft weiter bergauf, und auch der Zinsausblick für die wichtigsten Märkte gestaltet sich realistischer. Derweil werden die globalen Gewinnzahlen weiter nach oben korrigiert, und wir erwarten, dass die Renditen in den kommenden zwölf Monaten vom Gewinnwachstum und nicht von höheren Bewertungen angetrieben werden. Außerdem rechnen wir mit einem breiter gefächerten Gewinnwachstum, das sich nicht wie zuletzt auf einen engen Markt beschränkt, der primär Mega-Cap-Technologiewerte beinhaltet. Negativ zu vermerken ist dagegen, dass die erneute Outperformance der Mega-Caps und die Verengung des Markts in der letzten Hälfte des zweiten Quartals Anlass zur Sorge bieten. Die Dynamik dieser Marktkonzentration wurde durch die jüngste Schwäche der US-Wachstumsdaten und das gestiegene politische Risiko in der Eurozone wohl noch verstärkt. Vermutlich würden wir globale Aktien noch positiver bewerten, wenn es Anzeichen für eine sich ausweitende Aktienrallye gäbe oder die Bewertungen in Reaktion auf politische Unruhen oder schwächere Wirtschaftsdaten zurückgingen.
Was Japan betrifft, haben wir unsere Einschätzung auf neutral nach unten korrigiert. Im November 2022 hielten wir zunächst eine Übergewichtung Japans für empfehlenswert aufgrund klarer Anzeichen eines makroökonomischen Umfeldwechsels und von Fortschritten bei Corporate-Governance-Standards. Die Bemühungen um bessere Unternehmensführungsstandards, die Rückkehr zu einem stärkeren Aktivismus von Aktionären und steigende Margen waren diesbezüglich hilfreich, und wir sind der Ansicht, dass sich die Neubewertung japanischer Aktien mittelfristig fortsetzen und der Abstand zu den Margen/Eigenkapitalrenditen an anderen Märkten schrumpfen könnte. Auf kurze Sicht schätzen wir die makroökonomischen Bedingungen jedoch weniger optimistisch ein. Unsere Aussichten für die Inflation und die Zinsen liegen über dem Konsens, und die Zentralbank hinkt unseres Erachtens der Kurve in Bezug auf die Geldpolitik hinterher, womit sie Gefahr läuft, an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Während die BoJ (offenbar) eingegriffen hat, als sich der Sinkflug des Yen verstärkte, war diese Unterstützung nur vorübergehender Natur, sodass weitere geldpolitische Maßnahmen erforderlich sein dürften, um die Währung zu stabilisieren. Auf kurze Sicht erhöhen diese Faktoren das Potenzial für eine höhere gesamtwirtschaftliche Volatilität oder Ungewissheit, was bedeutet, dass das Risiko-Rendite-Profil insgesamt weniger positiv ist als noch vor einigen Monaten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die relative Wertentwicklung japanischer Aktien inzwischen weniger stark an die Entwicklung des Yen gekoppelt ist, da die Unternehmen ihre Produktion zunehmend über Tochtergesellschaften ins Ausland diversifiziert haben.
Was China und die Schwellenländer bzw. Emerging Markets (EM) angeht, haben wir unsere Einschätzung allgemein auf neutral angehoben, was teilweise dem einsetzenden Zinssenkungszyklus zu verdanken ist, auch wenn dieser einen flachen Verlauf nehmen dürfte. Außerdem sind wir angesichts der günstigen Bewertungen, die kürzlich für eine ausgeprägte Rallye gesorgt haben, weniger gewillt, an einer Untergewichtung Chinas festzuhalten. Gleichzeitig sind wir wegen des strukturellen Gegenwinds und der mangelnden Wirkung der politischen Maßnahmen (siehe Abbildung 1) vorsichtig in Bezug auf eine wirklich positive Positionierung.