Werden die geldpolitischen Entscheidungsträger schnell genug handeln?
Es besteht das Risiko, dass die Zentralbanken nicht schnell genug reagieren, um eine tiefe Rezession zu verhindern, da sich die Konjunktur beschleunigt, die Arbeitslosigkeit weltweit auf dem niedrigsten Stand der letzten 40 Jahre ist und die Inflation in den meisten Ländern immer noch hoch ist. Ich gehe jedoch davon aus, dass eher das Gegenteil der Fall sein wird. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels ist die Verteilung der möglichen Ergebnisse außerordentlich breit gestreut, mit relativ hohen Wahrscheinlichkeiten für Extremereignisse. Für die geldpolitischen Entscheidungsträger ist es schwierig, diesen Szenarien genaue Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass geldpolitische Entscheidungsträger in ähnlichen Situationen dazu geneigt haben, ihre Politik nach den Ergebnissen auszurichten, die sie am ehesten vermeiden wollten. Bei der Wahl zwischen finanzieller Instabilität – und dem damit verbundenen Risiko einer Deflation – und Inflation werden sich die Zentralbanken wahrscheinlich gegen ein Szenario finanzieller Instabilität und Deflation absichern wollen, selbst wenn die Inflation dabei sehr hoch bleibt.
Nach den jüngsten Zinserhöhungen der Fed und der EZB sowie der Bank of England, der Schweizerischen Nationalbank und der Norges Bank gibt es erste Anzeichen für ein solches Umdenken bei den Verantwortlichen. Die Bilanz der Fed wächst wieder, und die EZB macht ihren Zinsausblick explizit von der Entwicklung der Bedingungen im Finanzsystem abhängig. Gleichzeitig steht die Bank of Japan nicht mehr unter Druck, ihr Modell für die Kontrolle der Zinsstrukturkurve aufzugeben.
Sollten die Spannungen im Finanzsystem anhalten, könnten die Zentralbanken in der zweiten Jahreshälfte die Zinsen senken, obwohl die Inflation über ihrer Zielmarke bleibt und die Beschäftigungsquoten hoch sind. Selbst wenn sich das Finanzsystem wieder vollständig stabilisiert, ist eine automatische Wiederaufnahme der Zinserhöhungen unwahrscheinlich, da die Hürde für Zinserhöhungen im Vergleich zu der Zeit vor dem Schock deutlich höher geworden ist. Paradoxerweise hat die aktuelle Krise meines Erachtens das Vertrauen der Zentralbanken wiederhergestellt, dass sie mithilfe der Geldpolitik, wenn auch mit einer gewissen Verzögerung, ihre Ziele erreichen können. Sie sind daher vielleicht nun eher geneigt, die volle Wirkung der bereits ergriffenen Maßnahmen abzuwarten. Und selbst wenn die aktuellen Probleme des Bankensektors vollständig gelöst werden, dürfte der Schock bei den geldpolitischen Entscheidungsträgern die Sorge verstärkt haben, dass das Finanzsystem nun anfälliger bei einer plötzlichen Aufwärtskorrektur der Zinserwartungen ist und eine Straffung mit höheren Kosten verbunden sein könnte.