Eine Vielzahl struktureller Trends fördert Innovationen, die grundlegende Umwälzungen in der Weltwirtschaft mit sich bringen. Dadurch entstehen aus unserer Sicht attraktive Gelegenheiten für thematische Investments. In dieser Artikelreihe wirft unser auf thematische Anlagen spezialisiertes Team einen genaueren Blick auf einige dieser Trends, die Breite des Anlageuniversums und die damit verbundenen Risiken.
In diesem Beitrag befassen wir uns damit, wie Anleger das Transformationspotenzial der künstlichen Intelligenz (KI) nutzen können. Zunächst einmal sind wir der Meinung, dass die Anleger guten Grund zur Begeisterung haben. Wir stehen kurz vor einer technologischen Revolution, die weitreichende Konsequenzen für alle Sektoren, Unternehmen, Arbeitnehmer und Regulierungsbehörden mit sich bringt. Allerdings erfordert dieses enorme Potenzial auch ein besseres Urteilsvermögen, insbesondere wenn sich das Tempo der KI-Einführung beschleunigt. Wie kann eine thematische Perspektive den Anlegern helfen, zwischen Hype und Realität zu unterscheiden?
In unseren Augen sind thematische Anleger besonders gut positioniert, um von der KI zu profitieren. Der thematische Anlageprozess zielt nämlich in seinem Kern darauf ab, jene langfristigen strukturellen Trends zu ermitteln und zu nutzen, die bestehende Paradigmen verändern und das Wachstum über einen längeren Zeitraum hinweg ankurbeln sollten. Diese Perspektive auf KI anzuwenden, kann Anleger darin unterstützen, ihr Engagement an diesen langfristigen Wachstumstreibern auszurichten, anstatt aktuellen Markttrends hinterherzujagen, die von Dauer können oder auch nicht. Darüber hinaus versetzt ein thematischer Ansatz die Anleger in die Lage, sektor- und branchenübergreifend auf die Wegbereiter, die Innovatoren und die Nutznießer dieser technologischen Errungenschaft zu blicken.
Die Schlüsselfrage lautet: Wie wird KI die Welt verändern?
Die künstliche Intelligenz als einen strukturellen, langfristigen Trend zu betrachten, hilft, sie in den richtigen Kontext zu setzen — und hilft uns dabei zu verstehen, inwiefern sie anderen strukturellen Trends ähneln oder sich von ihnen unterscheiden könnte. Wenn die KI — wie wir glauben — dem Zeitalter der Elektrifizierung überaus ähnlich ist, kann diese Sichtweise einen Rahmen schaffen, um die diesbezüglich überzeugendsten Anlagechancen zu bestimmen und zu quantifizieren.
Eine der entscheidenden Fragen, die wir bei der Beurteilung eines strukturellen Trends zu beantworten versuchen, ist: Wie genau wird er die Welt verändern?
Im Fall der KI denken wir, dass die Antwort mit dem Konzept des produktiven Wissens zusammenhängt. Einfach ausgedrückt beschreibt das produktive Wissen die Fähigkeit zu verstehen, wie etwas zu tun ist, und es anschließend umzusetzen. Das produktive Wissen ist ein wichtiger Motor für das Wirtschaftswachstum, insbesondere in der heutigen Zeit, in der Unternehmen um produktive Wissensarbeiter herum aufgebaut sind. Je komplexer das Tätigkeitsfeld ist, desto knapper ist es jedoch um das produktive Wissen bestellt — und desto teurer kommt es die Unternehmen zu stehen. Das bedeutet, dass ihre Anlageerträge beim Einsatz zusätzlicher Ressourcen immer geringer werden, wodurch das Wachstum gebremst wird.
Unsere Einschätzung, dass die KI transformativer Natur ist, begründet sich darin, dass sie aus unserer Sicht das Angebot an einer knappen Ressource — hochqualifiziertem produktivem Wissen — erhöht und die Unternehmen somit in die Lage versetzt, ihre Produktivität zu steigern. Dieses Muster — dass die bessere Verfügbarkeit einer knappen Ressource die Produktivität steigert — war bereits in der Vergangenheit zu beobachten. Einen ähnlichen Engpass gab es im Vorfeld der Elektrifizierung, wobei damals der Strom und nicht das Wissen die knappe Ressource war.
Was kann uns die Elektrifizierung über KI lehren?
Wenn wir auf das Zeitalter der Elektrifizierung und der Mechanisierung zurückblicken, das mit der Entwicklung des modernen Stromnetzes in den 1880er Jahren Fahrt aufnahm, lässt sich eine Reihe von Mustern erkennen. Diese im Rahmen unseres thematischen Research zu untersuchen, lässt Schlussfolgerungen in Bezug darauf zu, wie sich KI sowohl auf das allgemeine gesamtwirtschaftliche Umfeld als auch auf bestimmte Branchen auswirken könnte.
Was könnte sich aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ändern?
Steigerung der Produktivität
Ähnlich wie die Elektrifizierung und die Mechanisierung wird es durch KI zu Produktivitätssteigerungen kommen, obschon es einige wesentliche Unterschiede gibt. So war vor 100 Jahren das verarbeitende Gewerbe der größte Nutznießer, in dem die produzierte Menge von 1859 bis 1929 — bereinigt um das Bevölkerungswachstum — um das Siebenfache anstieg1. Im Gegensatz dazu könnte KI neben dem verarbeitenden Gewerbe noch einer größeren Zahl von Sektoren zugute kommen, wie etwa Handel, IT, Finanzen und professionelle Dienstleistungen, die wiederum einen deutlich größeren Anteil des heutigen BIP ausmachen könnten. Sollte die KI einem ähnlichen Muster wie die Elektrifizierung folgen, prognostizieren wir, dass allein die begünstigten Sektoren zwischen 2025 und 2035 einen Produktivitätszuwachs von 1,6 Prozent herbeiführen könnten.
Vermehrte IT-Investitionen
Seit Beginn des Jahrzehnts haben sich die IT-Investitionen, ausgedrückt in Prozent des BIP, aufgrund der Softwarekosten innerhalb einer festen Bandbreite von rund vier bis fünf Prozent bewegt2. Da durch die KI jedoch das Angebot an Wissen wächst, dürften entsprechend sinkende Softwarekosten die IT-Ausgaben beflügeln und sie möglicherweise auf bis zu 15 Prozent steigen lassen, falls die Investitionsausgaben einem ähnlichen Entwicklungspfad folgen wie bei der Elektrifizierung.
Für Arbeitnehmer ein kurzfristig positiver, aber langfristig negativer Faktor?
Da das Eigentum an produktivem Wissen vom Einzelnen auf KI-Tools übertragen wird, sollte KI die Produktivität von Geringqualifizierten steigern und sie fast genauso produktiv machen wie hochqualifizierte Arbeitskräfte. Vorerst hapert es bei KI-Technologien jedoch an Genauigkeit, was bedeutet, dass KI-Tools einer menschlichen Ergänzung bedürfen: Eine höhere Nachfrage nach KI wird also auch die Nachfrage nach Arbeitskräften steigern. Wenn sich die Genauigkeit mit der Zeit aber verbessert, dürfte den Beschäftigten Gegenwind durch KI drohen und sie zu Umschulungen und/oder einem Wechsel in Sektoren bewegen, in denen keine vollständige Automatisierung durch KI möglich ist.
Inwiefern könnten unterschiedliche Sektoren betroffen sein?
Je stärker ein Sektor digitalisiert ist, desto schneller wird er profitieren
Die Elektrifizierung ging am schnellsten in jenen Sektoren vonstatten, die auf Strom angewiesen waren (d. h. in der Fertigung); über kurz oder lang wurden aber alle Branchen elektrifiziert. In ähnlicher Weise glauben wir, dass „wissensintensive“ Sektoren wie IT, Medien, professionelle Dienstleistungen und Finanzen zu den ersten Nutznießern zählen werden, gefolgt von weniger wissensintensiven Sektoren wie Transport, Bildung, Einzelhandel, Regierungswesen und Gesundheit.
Größere Unternehmen sind besser positioniert
In einer Welt der künstlichen Intelligenz ist Größe von Bedeutung, da höhere Investitionen in KI-Modelle und der Zugriff auf umfangreiche Datensätze die Genauigkeit der Ergebnisse verbessern. Da die Skalenerträge zunehmend an Bedeutung gewinnen, rechnen wir mit einer stärkeren Konsolidierung bei kleineren Unternehmen.
Für Unternehmen könnte eine gewinnbringende Anwendung Priorität vor Innovation und Produktion haben
Aus unserer Sicht wird die KI höchstwahrscheinlich eine produktivitätssteigernde und kostensenkende Wirkung auf zwei Bereiche der Wertschöpfungskette haben: die Innovation (Entwicklung neuer Geschäftsideen) und die Produktion (effiziente Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen) (Abbildung 1). Dadurch könnten die Eintrittsbarrieren in diesen Bereichen herabgesetzt werden, womit sich der Wettbewerb verstärkt und es den Unternehmen schwerer fallen dürfte, hier Mehrwert zu schaffen. Unternehmen, die sich auf die Monetarisierung (d.h. den Vertrieb bzw. die Kundenbeziehungen) konzentrieren und darin glänzen, sollten dagegen besser dastehen.