Kartografieren von Klimarisiken in der Praxis: Investment-Fallstudien

Christopher Goolgasian, CFA, CPA, CAIA, Director of Climate Research
Victoria Landaeta, Research Associate
2024-11-30
Archiviert info
Archivierte Inhalte sind weiterhin auf der Website verfügbar. Bitte beachten Sie das Datum der Veröffentlichung, wenn Sie diese älteren Inhalte lesen.
1069159866

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen der Autoren zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert eines Investments kann gegenüber dem Zeitpunkt des ursprünglichen Investments steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Kartografieren von Klimarisiken in der Praxis: Investment-Fallstudien

Bei unseren ersten Besuchen im Woodwell Climate Research Center erkannte unser Climate Research-Team, welche zentrale Rolle Landkarten in der klimawissenschaftlichen Forschung und Analyse spielen. Landkarten geben den Daten einen räumlichen Kontext und helfen dem Betrachter, die Informationen besser zu verinnerlichen. Wir verstanden sofort, wie sehr das Kartografieren von Klimarisiken den Anlageprozess bereichern kann. Schon seit Beginn unserer Research-Partnerschaft mit Woodwell im Jahr 2018 hatten wir Klimadaten synthetisiert und mit sämtlichen Investmentteams bei Wellington geteilt. Aber wir wussten, dass unsere Investmentexperten Klimaprognosen nur dann effektiv in ihren Anlageprozess einbinden können, wenn sie in der Lage sind, Klimadaten und damit verbundene Erkenntnisse in messbare Ergebnisse umzusetzen. Um dies zu erreichen, entwickelten wir unsere Anwendung zur Beurteilung von Klimarisiken (Climate Exposure Risk Application, CERA) – eine integrierte räumliche Finanzsoftware, die unseren Investmentteams hilft, physische Klimarisiken zu visualisieren und zu quantifizieren.

Wie CERA funktioniert

CERA, das sämtlichen Investmentexperten bei Wellington zur Verfügung steht, zeigt die von Woodwell bereitgestellten Daten auf Karten mit georäumlichen Informationen an, in die Daten zu Finanz- und Sachwerten eingeblendet sind. CERA zeigt Prognosedaten zu Klimarisiken in Fünf-Jahres-Schritten über einen Zeithorizont von bis zu 30 Jahren. So können sich Anleger ein Bild davon machen, wie sich das Klimarisiko einer Anlage innerhalb verschiedener Anlagezeiträume verändern könnte. Beim Einsatz des Tools können Investmentexperten verschiedene Ebenen ein- und ausschalten, um das Risiko nahezu jeder möglichen Anlage zu sehen – von den Sachanlagen eines Unternehmens über Kommunalanleihen und Immobilienfonds (REITs) bis hin zu versicherten Vermögenswerten.

Nutzer können Anlagen in „Hot Spots“ identifizieren, die weitere fundamentale Untersuchungen und/oder einen Dialog mit den Managementteams der Unternehmen erfordern. CERA ermöglicht es unseren Portfoliomanagern außerdem, das relative Risiko vergleichbarer Vermögenswerte zu bewerten. Wenn beispielsweise zwei Kommunalanleihen ähnliche Bewertungen und Laufzeiten aufweisen, CERA aber zu dem Ergebnis kommt, dass eine Kommune ein weitaus größeres wirtschaftliches Risiko durch Klimaereignisse trägt, können unsere Investmentexperten auf Basis dieser Informationen fundiertere Anlageentscheidungen über Klimarisiken treffen. Durch den Einsatz von CERA können Investmentexperten Wertpapiere auf einer klimarisikoadjustierten Basis vergleichen und ihnen möglicherweise präzisere Werte zuweisen. Wir gehen davon aus, dass das Tool auf der Basis von Standortdaten von Anbietern schon bald 11.000 börsennotierte Unternehmen aus aller Welt sowie insgesamt 193.000 Einrichtungen abdecken wird.

Investment-Fallstudien

Vermeiden von Anlagen aufgrund regionaler Klimabedingungen

Einer unserer Investmentexperten wollte sich ein besseres Verständnis des Klimarisikos in seinem Portfolio verschaffen, das unter anderem auch Versorgungsunternehmen auf der Iberischen Halbinsel enthielt (Abbildung 1). Die CERA-Skala ergab ein hohes regionales Risiko für mehr extreme Hitzetage und Wasserknappheit in den nächsten 20 Jahren. Der Portfoliomanager befürchtete, dass das Gewinnpotenzial spanischer Versorgungsunternehmen, deren margenstärkste Anlagen häufig Wasserkraftwerke sind, aufgrund der Belastung durch den Klimawandel leiden würde. Da Spanien über einen großen Landwirtschafts- und Tourismussektor verfügt, sorgte er sich außerdem, dass die Versorgungsunternehmen öffentlicher Kritik hinsichtlich der Wasserzuteilung und -nutzung ausgesetzt sein könnten. Nach Berücksichtigung dieser in CERA abgebildeten Risiken beschloss er, diese Anlagen zu vermeiden, obwohl die kurzfristigen Fundamentaldaten attraktiv waren.

In diesem Video erfahren Sie mehr über CERA sowie darüber, wie dieser Investmentexperte das Tool in diesem Fall eingesetzt hat.

Abbildung 1
climate-mapping-in-action-investment-case-studies-fig1

Eingehende und detaillierte Risikoanalyse einer Insel

Auf unsere Anfrage hin führt Woodwell Untersuchungen durch und liefert ausführliche Detailberichte über geografische Klimarisiken. Bis heute hat das Research Center mehr als 15 länderspezifische und regionale Studien erstellt. Kürzlich hat unser Team für Kommunalanleihen eine Klimastudie in Auftrag gegeben, um besser zu verstehen, wie sich Hitze und Überschwemmungen auf die Fähigkeit Puerto Ricos auswirken könnten, in den nächsten 30 Jahren neue Unternehmen anzulocken.  Die Analyse von Woodwell musste Daten berücksichtigen, die nicht direkt mit dem Klima zusammenhängen, beispielsweise über die Infrastruktur zum Schutz vor Überschwemmungen und die Anfälligkeit der Bevölkerung gegenüber Hitze. Angesichts der geringen geografischen Ausdehnung und der komplexen Topografie Puerto Ricos musste Woodwell außerdem spezielle Tools einsetzen, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Anhand der hochauflösenden Daten, die bis auf einen Quadratkilometer genau waren, konnten wir erkennen, wie sich die Niederschlagsmengen auf der Insel in Zukunft räumlich entwickeln würden. 

Die Daten zeigen, dass in den kommenden Jahrzehnten moderate Regenstürme auf der Insel weniger häufig auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit seltener, schwererer Niederschlagsereignisse nimmt hingegen deutlich zu. Puerto Rico erlebt ein Phänomen, das auch in anderen Regionen der Welt zu beobachten ist: Trotz eines allgemeinen Trends zu mehr Trockenheit werden die Niederschlagsereignisse immer extremer. Die hochauflösenden Daten von Woodwell prognostizieren außerdem für die dicht besiedelten Städte an der Küste der Insel mehr Tage mit gefährlicher Hitzebelastung pro Jahr. 

Wir haben die von Woodwell erstellte Fallstudie mit unseren eigenen Untersuchungen zur Anpassung an den Klimawandel kombiniert und unsere Analyse dem Team für Kommunalanleihen vorgelegt. Sie zeigt, dass Puerto Rico erheblichen Klimarisiken ausgesetzt ist und die derzeitigen Anpassungsmaßnahmen wahrscheinlich keinen ausreichenden Schutz bieten (Abbildung 2). Durch die Informationen wurde das Team im Hinblick auf die zukünftige Bonitätsentwicklung Puerto Ricos etwas skeptischer. Die eingesetzten Modelle wurden angepasst, um ein geringeres Wachstum der Umsatzsteuern und die Möglichkeit größerer und häufigerer Stürme zu berücksichtigen. Aufgrund der Fallstudie hat das Team seine Kursziele nach unten korrigiert. Das Team wird außerdem die Analyse der potenziellen Auswirkungen von sehr viel mehr Hitzetagen fortsetzen, da diese zu einer höheren Abwanderung, einer geringeren Produktivität oder neuen Anpassungsinvestitionen führen könnten. 

Abbildung 2
climate-mapping-in-action-investment-case-studies-fig2

Bewertung der Sicherheitsrisiken von Unternehmen 

Ein globaler Chemiekonzern war dabei, eine Produktionsanlage in der Nähe eines Flusses in einer niedrig gelegenen Region im US-Bundesstaat Louisiana zu errichten. Der Bau des Werks sollte fünf Jahre dauern und 10 Mrd. USD kosten. Ein Portfoliomanager von Wellington, der die Aktie hielt, wollte die künftigen Überschwemmungsrisiken für diesen Standort nachvollziehen, da das Unternehmen geschätzt hatte, dass die Anlage im Laufe der Zeit etwa 20% seines konsolidierten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) erwirtschaften würde.

Anhand hochauflösender Daten und detaillierter Hochwassermodelle, die die Versickerung von Niederschlägen, lokale topografische Gegebenheiten und bestehende Infrastrukturen zum Hochwasserschutz berücksichtigen, erstellte Woodwell Karten, die erhebliche Überschwemmungsrisiken erkennen ließen (Abbildung 3). Die Karten zeigten die voraussichtliche Überschwemmung bei einem Niederschlagsereignis, wie es einmal in 100 Jahren (d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% in einem bestimmten Jahr) bzw. einmal in 500 Jahren (d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,2% in einem bestimmten Jahr) eintritt. Bei einem 500-Jahres-Ereignis würden Teile des Werksgeländes mit mehr als drei Metern Wasser überflutet werden. Unser Portfolioteam gelangte zu der Auffassung, dass dies eine schlechte Unternehmensführung und Klimaplanung erkennen lässt, und reduzierte daraufhin seine Position in diesem Unternehmen. Die von Woodwell gelieferten klimatischen Erkenntnisse ergänzten die Fundamentalanalyse des Teams und hatten eine Begrenzung der Haltedauer zur Folge.

Abbildung 3
Projected flooding at Louisiana chemical company

Unser Ansatz für Impact Investing

Experten

chris goolgasian

Christopher Goolgasian

, CFA, CPA, CAIA

Director of Climate Research
landaeta-victoria-9231

Victoria Landaeta

Research Associate