Bei Rentenanlagen konzentriert sich die Wertpapieranalyse traditionell auf Finanzkennzahlen wie Unternehmensgewinn, Bilanzstärke und Cashflow, wobei die Anleger versuchen, die Risiken und den potenziellen Wert eines Wertpapiers zu messen. Wir sind jedoch der Meinung, dass die ausschließliche Konzentration auf Finanzzahlen andere Informationen vernachlässigt, die für ein umfassendes Verständnis der Fundamentaldaten eines Emittenten von entscheidender Bedeutung sind. Unserer Ansicht nach beruht eine solide Wertpapierauswahl auf einem gründlichen und mehrdimensionalen Verständnis der geschäftlichen Risiken und Chancen. Impact Investing, bei dem neben dem primären Ziel der finanziellen Rendite auch die Erzielung messbarer sozialer und ökologischer Ergebnisse im Vordergrund steht, kann diese mehrdimensionale Analyse erheblich verbessern, indem es zusätzliche Ebenen von Risiken und Chancen aufdeckt, die bei herkömmlichen Analysen häufig übersehen werden. Im Folgenden zeigen wir auf, wie die Anwendung einer „Impact-Perspektive“ unseres Erachtens das Investmentresearch und die Titelauswahl unterstützen und zu einer robusteren Portfoliokonstruktion führen kann.
Ergänzung der traditionellen Investmentanalyse
Wir sind davon überzeugt, dass Anleger durch die Bewertung von Emittenten unter Impact-Aspekten einzigartige Einblicke in die längerfristige Tragfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle erhalten. Die Anwendung einer Impact-Perspektive erfordert beispielsweise eine gründliche Prüfung der Produkte und Dienstleistungen eines Emittenten. Die Anleger versuchen dabei nicht nur herauszufinden, wie das Angebot des Emittenten den Endnutzern zugutekommt, sondern identifizieren auch alle Risiken, die den Gesamtbeitrag für Gesellschaft und Umwelt schmälern und indirekt das Geschäftsmodell des Emittenten gefährden könnten. Die Beurteilung der Fähigkeit eines Emittenten, langfristig eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, erfordert auch eine eingehende Analyse seiner Geschäftstätigkeit und Unternehmensführung, der allgemeinen Dynamik der Märkte und demografischen Gruppen, die er versorgt, sowie etwaiger struktureller Positivfaktoren oder Herausforderungen, die sein längerfristiges Wirkungspotenzial beeinträchtigen könnten. Ein besseres Verständnis dieser Faktoren kann die traditionelle Investmentanalyse ergänzen, indem es zusätzliche Anhaltspunkte über den Emittenten und den Sektor liefert, in dem dieser tätig ist. Dies kann letztlich zu besseren Anlageentscheidungen führen.
Beispiel 1: Der Wert einer Wirkungsanalyse
Zielsetzung:
- Bewertung eines in Schwellenländern tätigen Emittenten aus dem Telekommunikationssektor anhand von Impact-Kriterien.
- Beurteilung der Kreditwürdigkeit im Hinblick auf eine mögliche Anlage.
Maßnahme:
- Vor-Ort-Besuch von Niederlassungen, Funkmaststandorten und örtlichen Gemeinden in Zentralafrika.
- Treffen mit der Geschäftsleitung, Gespräche mit Personen, die von einem erweiterten Internetzugang profitieren.
Einzigartige Einblicke:
- Einblick in die Anlagechance aus erster Hand. Ein direkter Besuch hat uns ein besseres Verständnis für die Geschäftstätigkeit, die Infrastruktur und die Kultur des Unternehmens vermittelt. Außerdem konnten wir uns dadurch ein besseres Bild von den Herausforderungen machen, die mit der nationalen Netzanbindung verbunden sind, sowie von den strukturellen Chancen, die sich daraus für dieses Unternehmen ergeben. Wir konnten auch beobachten, wie das Unternehmen versucht, seine ehrgeizigen Pläne zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien an den Funkmaststandorten umzusetzen.
- Ermittlung der positiven Wirkung eines erweiterten Internetzugangs auf lokale Gemeinschaften durch umfassende Interviews. Mit Hilfe dieser Interviews waren wir in der Lage, die Zufriedenheit der Verbraucher direkt zu messen. Wir sind davon überzeugt, dass sich die positive Stimmung, die durch die Förderung der Selbstbestimmung von Einzelpersonen, Unternehmen und ganzen Gemeinschaften entsteht, im Laufe der Zeit in einer starken Kundenbindung und einem höheren Marktanteil niederschlagen wird, was unseren fundamentalen Ausblick für diesen Emittenten untermauert.
Aufdecken neuer Möglichkeiten für einen direkten Dialog
Impact Investing kann auch zu einem intensiveren Dialog mit den Emittenten beitragen. So können Impact-Investoren beispielsweise versuchen, mit Emittenten über Themen wie die Entwicklung der wichtigsten Leistungskennzahlen (KPIs) zu sprechen oder darüber, inwieweit das sich entwickelnde Geschäftsmodell eines Emittenten mit einem bestimmten Wirkungsthema übereinstimmt.
Der Austausch mit Emittenten über wirkungsbezogene Themen fördert die Transparenz und kann zu einem tieferen Verständnis der Geschäftstätigkeit, der Branchendynamik und der voraussichtlichen Wachstumsbereiche eines Emittenten führen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können dazu beitragen, Risiken und Chancen einer Anlage zu erkennen und zu bewerten, die über die herkömmliche Analyse von Geschäftsberichten hinausgehen.
Beispiel 2: Der Wert eines aktiven Dialogs zu Wirkungsthemen
Zielsetzung:
- Dialog mit einer gemeinnützigen Naturschutzorganisation, die Schuldtitel emittiert, um ein tieferes Verständnis dafür zu erlangen, weshalb die jährliche Steigerung ihrer Impact-KPI so gering ist.
- Verständnis dafür entwickeln, wie der Emittent die biologische Vielfalt bei seinen Geschäftsentscheidungen einbezieht und wie er mit möglichen negativen externen Effekten umgeht, die sich aus den Verbindungen zur Holzbranche ergeben.
Maßnahme:
- Organisation eines Telefongesprächs mit dem Finanzvorstand, Board-Mitgliedern und leitenden Angestellten des Emittenten.
- Im Vorfeld der Telefonkonferenz hatten wir Fragen und Anmerkungen übermittelt, um einen konstruktiven Dialog zu fördern.
Einzigartige Einblicke:
- Besserer Überblick über die Wachstumspläne und den zukünftigen Finanzierungsbedarf des Emittenten durch ein besseres Verständnis der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Impact-KPI, z.B. die Verfügbarkeit von Grundstücken, Kapital und Möglichkeiten, Fördermittel zu erhalten.
- Bestätigung, dass der Emittent wesentliche negative externe Effekte angemessen handhabt, durch unseren Dialog über den Umgang des Emittenten mit dem Thema Biodiversität, das ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für die Holzindustrie darstellt. Ein wichtiger Faktor: Die Bestimmung der Art und Weise, wie der Emittent mit diesem Risiko umgeht, ist nicht nur aus der Impact-Perspektive, sondern auch aus ESG- und finanzieller Sicht von Bedeutung. Wir erfuhren zum Beispiel, wie der Emittent Instrumente Dritter einsetzt, um zu bestimmen, welche konkreten Gebiete für den Erhalt der biologischen Vielfalt geschützt werden müssen, wie der Emittent eng mit staatlichen Stellen zusammenarbeitet, um die Berücksichtigung der biologischen Vielfalt nachzuweisen, und wie der Emittent eine unabhängige Zertifizierung nach dem Standard der Sustainable Forestry Initiative (SFI) anstrebt.
Aufbau besserer Anleiheportfolios durch einen Bottom-Up-Ansatz
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die zusätzliche Informationsebene, die sich aus der Impact-Analyse erschließt, zu einem vollständigeren Mosaik von Erkenntnissen und damit zu fundierteren Anlageentscheidungen beitragen kann.
In einer unsicheren wirtschaftlichen Zeit, in der sich Anleger mit volatilen Inflationsraten, kürzeren Konjunkturzyklen und disruptiven Trends wie Deglobalisierung, geopolitischen Rivalitäten und künstlicher Intelligenz konfrontiert sehen dürften, sollten Portfoliomanager alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Chancen und Risiken eines Emittenten aus möglichst vielen Blickwinkeln zu verstehen, da dies dazu beitragen kann, das Potenzial für langfristige Zusatzerträge durch die Titelauswahl zu erhöhen.
Mit zunehmenden Marktturbulenzen und einem stärkeren Auseinanderdriften der Entwicklungspfade von Emittenten können die Erkenntnisse aus dem Impact Investing eine willkommene Ergänzung zur traditionellen Finanzanalyse darstellen.