Globaler Konjunkturausblick zur Mitte des Jahres 2023

Gerät bei einem Stolperer der USA der Rest der Welt immer noch aus dem Tritt?

John Butler, Macro Strategist
2024-06-30
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Eine der Schlussfolgerungen unserer strukturellen Analysen, die wir in unserem globalen Konjunkturausblick 2023 hervorgehoben haben, ist die Tatsache, dass Konjunkturzyklen künftig wahrscheinlich extremer, häufiger und komprimierter sein werden, da die Zentralbanken zu einer zusätzlichen Quelle von Volatilität werden, anstatt diese zu verringern. Eine wichtige makroökonomische Konsequenz dieser Erkenntnis besteht in den voraussichtlich größeren Unterschieden bei den Konjunkturzyklen der verschiedenen Länder und der daraus resultierenden Notwendigkeit unterschiedlicher Maßnahmen der einzelnen Zentralbanken.

Der Markt scheint dies jedoch anders zu sehen und geht derzeit von einer anhaltenden zyklischen Konvergenz aus (Abbildung 1). Dabei wird angenommen, dass sich das seit Ende der 1990er etablierte Muster fortsetzen wird.

Abbildung 1
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Trotz der aktuellen Marktpreise haben viele der Faktoren, die in den letzten drei Jahrzehnten zu einer hohen Synchronität der Zentralbankmaßnahmen beigetragen haben, unseres Erachtens keinen Bestand mehr oder sie kehren sich allmählich um. Daher erwarten wir, dass sich die Verknüpfungen zwischen den Ländern, die Politik der Zentralbanken und die Preisbildung an den Märkten verändern werden, was potenziell attraktive Möglichkeiten für ein aktives Portfoliomanagement und die Titelauswahl schafft.

Unser Standpunkt stellt viele Annahmen infrage, die sich in den letzten Jahrzehnten bewährt haben, insbesondere die folgenden:

  • Die Entwicklung des US-Konsumsektors bestimmt das weltweite Wachstum: Seit Ende der 1990er Jahre hat sich das Wachstum weltweit stark angeglichen, und es hat sich eine klare Wertschöpfungskette herausgebildet. Die USA sind der wichtigste Abnehmer von Konsumgütern aus China sowie von Investitionsgütern aus Deutschland und Japan. Dies hatte zur Folge, dass ein Konjunkturumschwung in den USA in der Regel von der übrigen Welt mit etwas Verzögerung nachvollzogen wurde. Außerdem folgten die Zentralbanken der übrigen Länder aus diesem Grund häufig einfach dem Beispiel der US-Notenbank Fed. Dies dürfte sich nun jedoch ändern. Unsere Analysen deuten darauf hin, dass wir uns wieder auf ein Umfeld zubewegen, in dem sich der Wachstumsmotor der großen Wirtschaftsakteure, insbesondere Europas, Japans und Chinas, vom Export zu einer stärkeren Binnennachfrage verlagert. Zudem gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass in diesen Regionen der Dienstleistungssektor nun am wichtigsten für das Wachstum geworden ist und nicht mehr das verarbeitende Gewerbe.
  • Globalisierungsbedingte Kapitalströme haben eine Konvergenz der Zentralbankpolitik erzwungen: Wenn sich eine Zentralbank in der Ära der vom US-Konsum getriebenen Globalisierung zu weit vom Kurs der Fed entfernte, wertete ihre Währung auf und bremste damit im Grunde das Exportwachstum. Unserer Ansicht nach wird sich die Einstellung der Währungshüter zur Währungsstärke in Zukunft ändern, wenn die Inflation hoch ist und nicht mehr als gefährlich niedrig wahrgenommen wird. Ein aktuelles Beispiel: Mitte 2022 beendete die Schweizerische Nationalbank die Negativzinsphase. Seitdem hat sie den Schweizer Franken gegenüber einem breiten Korb von Industriestaatenwährungen aufwerten lassen, um die wieder anziehende Inflation zu bekämpfen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels hält die Bank of Japan zwar noch an ihrer Negativzinspolitik fest, sie dürfte unseres Erachtens aber zu einer restriktiveren Politik übergehen (und möglicherweise die Negativzinspolitik und die Kontrolle der Renditekurve aufgeben), da sich in Japan weiterhin ein „nachhaltiger“ Inflationsdruck aufbaut.
  • Den Zentralbanken mangelt es an unabhängigem Denken: Die großen Zentralbanken außerhalb der USA haben sich daran gewöhnt, dem Beispiel der Fed zu folgen und deren Reaktionsmuster zu kopieren. In Zeiten niedriger Inflation mag das kein Problem sein, aber in der heutigen Welt wird es sehr viel schwieriger, sich in der „Herde“ zu verstecken – insbesondere wenn die Inflation in einigen Ländern hoch ist. So ist Europa von den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor weit weniger betroffen als die USA, und insbesondere die Europäische Zentralbank (EZB) hat noch einen gewissen Weg vor sich, bevor sie mit ihren Zinserhöhungen pausieren kann. Die spätzyklische Dynamik der US-Wirtschaft deutet dagegen darauf hin, dass sich die Fed dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus nähert.

Abbildung 2 veranschaulicht diese zunehmenden Unterschiede. Die Grafik zeigt, dass die jüngste Beschleunigung der globalen Geldmenge – definiert als Bargeld und kürzerfristige kündbare Einlagen (M2) – in China, Europa und Japan den Rückgang in den USA mehr als ausgeglichen hat.

Abbildung 2
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Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Markterwartung einer zyklischen Konvergenz auf den Prüfstand gestellt werden könnte.

Die globalen Konjunkturindikatoren für die Industrieländer deuten kurzfristig zwar auf Stabilität hin. Wir erwarten jedoch allmähliche Anzeichen für ein Auseinanderdriften einzelner Länder, wobei die USA nicht mehr das Tempo vorgeben werden. Nach der globalen Finanzkrise hatten die Währungsbehörden mehrerer Länder die Vorgehensweise der Fed und in geringerem Maße auch der EZB im Grunde genommen einfach kopiert, obwohl die Ursache ihrer Probleme eine ganz andere war. Infolgedessen verzeichneten diese Länder – in der Regel kleine, offene Volkswirtschaften – eine höhere Inflation als die USA und die Eurozone. Vor dem Hintergrund einer weltweit niedrigen Inflation trieb dieser Preisdruck die Wohnkosten und die Verschuldung der Haushalte in die Höhe. Da es sich um kleine Volkswirtschaften handelte, fielen diese negativen Effekte eines einheitlichen geldpolitischen Kurses auf globaler Ebene aber weniger ins Gewicht.

Solange sich die US-Bankenkrise nicht zu einem globalen Bankenproblem ausweitet, werden sich andere Länder, die der Reaktion der Fed auf das aktuelle Problem schnell folgen, erneut mit den Konsequenzen konfrontiert sehen. Beispielsweise müssten sie mittelfristig wohl mit einer hohen Inflation rechnen. Daher sind wir der Meinung, dass bei den derzeitigen Bewertungen auf marktübergreifender Basis etwas nicht stimmt. Entweder ist die derzeitige marktübergreifende Symmetrie bei den Bewertungen am kurzen Ende der Kurve und damit die zugrunde liegende Erwartung, dass die anderen Zentralbanken einer möglichen Zinssenkung der Fed automatisch folgen werden, falsch. Falls sie jedoch richtig ist und die Zentralbanken sich erneut an der Politik der Fed orientieren, könnte diese ungerechtfertigte geldpolitische Konvergenz zu höheren Risikoaufschlägen am langen Ende der Zinsstrukturkurven in verschiedenen Ländern führen. Die derzeitigen Bewertungen am langen Ende der Kurve machen keinen Sinn angesichts dieser Implikationen, und es besteht das Potenzial für eine deutliche Underperformance gegenüber den USA bei einer Vielzahl von Anlagen. Es wird sich hier etwas bewegen müssen.

Experte

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John Butler

Macro Strategist