Schweiz (Switzerland), Professionelle Anleger

Ändernchevron_right

Hat sich der europäische Kreditzyklus verlängert?

Derek Hynes, Fixed Income Portfolio Manager
Will Prentis, Investment Specialist
8 min Lesen
2025-06-30
Archiviert info
Archivierte Inhalte sind weiterhin auf der Website verfügbar. Bitte beachten Sie das Datum der Veröffentlichung, wenn Sie diese älteren Inhalte lesen.
1489996632

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen der Autoren zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert einer Anlage kann gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Investition steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Kernaussagen: 

  • Trotz anhaltender Inflation und erhöhter Zinsvolatilität haben sich die Unternehmensanleihemärkte in den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 robust gezeigt.
  • Unseres Erachtens hat sich der europäische Kreditzyklus aufgrund der robusten Bilanzen von Unternehmen und Verbrauchern und des veränderten Verhaltens des privaten Sektors verlängert. 
  • Anleger sollten somit weiterhin von den historisch attraktiven Renditen profitieren können, die derzeit von Investment-Grade-Unternehmensanleihen geboten werden.
  • Nichtsdestotrotz sehen wir potenzielle Risiken für den Zyklus. Ein aktiver, flexibler und liquider Ansatz, der auf einem gründlichen Verständnis des Zyklus beruht, sollte Anleger unserer Ansicht nach in die Lage versetzen, das Risiko besser zu steuern und von der aktuellen Marktlage und möglichen Marktverwerfungen zu profitieren, sobald diese auftreten.

Volatilität an den Staatsanleihemärkten, aber Ruhe an den Unternehmensanleihemärkten

Das Jahr 2024 hat Rentenanleger bisher in Atem gehalten: Ein umfangreicher Neuemissionskalender, ein geldpolitischer Kurswechsel der Bank of Japan und zunehmende geopolitische Spannungen im Nahen Osten konkurrieren um die Aufmerksamkeit des Marktes. Dennoch ist die Inflation – die hartnäckig über dem Zielwert verharrt – das beherrschende Thema geblieben, was zu einer erhöhten Volatilität der Renditen von Staatsanleihen geführt hat, da der Markt die Erwartungen in Bezug auf Zinssenkungen der Zentralbanken für den Rest des Jahres zurückgeschraubt hat. 

An den Unternehmensanleihemärkten zeichnet sich jedoch ein ganz anderes Bild ab. Die europäischen Unternehmensanleihemärkte zeigen sich nach wie vor bemerkenswert robust. Die Spreads haben sich unterstützt durch solide Unternehmensbilanzen, eine widerstandsfähige Verbrauchernachfrage und günstige technische Bedingungen an den Märkten verengt. Doch trotz dieser Verengung sind europäische Investment-Grade-Unternehmensanleihen nach wie vor attraktiv und bieten historisch hohe laufende Renditen von 3,9%, die es den Anlegern ermöglichen, von attraktiven Kupons zu profitieren, ohne übermäßige Risiken eingehen zu müssen. Was müssen Anleger also über die Chancen bei europäischen Unternehmensanleihen wissen und was könnte der Rest des Jahres bereithalten? 

Den Zyklus verstehen

Ein Verständnis des Kreditzyklus – d.h. der wiederkehrenden Phasen einer Expansion und Kontraktion der Verfügbarkeit von Fremdkapital – ist eine entscheidende Komponente für das erfolgreiche Management europäischer Investment-Grade-Unternehmensanleiheportfolios. Unser Ziel ist es, an Aufwärtsbewegungen zu partizipieren und gleichzeitig das Kapital bei Abwärtsbewegungen zu schützen, indem wir Veränderungen im Zyklus antizipieren und das Kreditrisiko insgesamt dynamisch steuern. Vereinfacht ausgedrückt: Es gibt Zeiten, in denen wir mehr oder weniger stark einem Kreditrisiko ausgesetzt sein möchten. Durch unseren aktiven Ansatz für die Steuerung des Kreditrisikos möchten wir unsere Kunden gegen die Volatilität des Kreditzyklus abschirmen und ihnen dabei einen gleichmäßigen, konsistenten und möglichst überdurchschnittlichen Ertragsstrom bieten.

Wir versuchen, den Zyklus zu verstehen, indem wir die Stärke der Unternehmensbilanzen, die Widerstandsfähigkeit der Verbraucher und die Geschwindigkeit, mit der sich Zinsänderungen auf die Wirtschaft auswirken, genau beobachten. Trotz eines der aggressivsten Zinserhöhungszyklen der Geschichte scheint die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu funktionieren, wenn auch mit größerer Verzögerung als in früheren Zyklen. Da auch das Wachstum wieder anzieht, gehen wir davon aus, dass die Bedingungen für Unternehmensanleihen in der nächsten Zeit weiter gut sein werden. Wir haben drei mögliche Faktoren für eine Verlängerung des Kreditzyklus identifiziert: 

1. Solide Bilanzen der privaten Haushalte stützen die Konsumausgaben

In Europa sind die Bilanzen der privaten Haushalte nach wie vor robust, und das verfügbare Einkommen liegt nahe am höchsten Stand der letzten 25 Jahre (Abbildung 1). Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die europäischen Verbraucher seit der globalen Finanzkrise ihr Verhalten deutlich geändert haben: sie sparen mehr und wenden sich von riskanteren Formen der Fremdfinanzierung ab. Daneben ist es noch zu zwei weiteren Änderungen gekommen: Während der Pandemie haben viele Verbraucher Ersparnisse angehäuft, und europäische Hausbesitzer haben sich zunehmend für Festzinskredite anstelle von Hypotheken mit variablem Zinssatz entschieden, was bedeutet, dass der durchschnittliche europäische Haushalt heute viel besser dasteht als in der Vergangenheit und weniger anfällig für Zinsänderungen ist. 

Während die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hat, haben das Lohnwachstum und eine proaktive Fiskalpolitik zu einem Anstieg der Realeinkommen geführt. Die Verbraucherbilanzen liegen nach wie vor weit über den historischen Durchschnittswerten, was den Konsum – und die Unternehmensgewinne – in nächster Zeit weiter stützen dürfte. 

Abbildung 1
Renditedifferenz

2. Veränderte Dynamik bei der Fremdkapitalaufnahme von Unternehmen verschiebt Refinanzierungen in die Zukunft

Die Schuldendynamik hat sich nicht nur für die europäischen Verbraucher verändert. Auch europäische Unternehmen sind als Schuldner widerstandsfähiger gegenüber Zinserhöhungen geworden. Seit der globalen Finanzkrise haben europäische Unternehmen variabel verzinsliche Fremdkapitalinstrumente als primären Finanzierungsmechanismus weitgehend aufgegeben. Stattdessen haben sie sich für festverzinsliche Schuldtitel mit in der Regel längeren Laufzeiten entschieden, um sich die niedrigen Finanzierungszinsen nach der Corona-Krise zu sichern. 

Europäische Unternehmen können so später refinanzieren und sind weniger anfällig gegenüber Zinserhöhungen als in der Vergangenheit. Dies wird in Abbildung 2 deutlich: Die durchschnittlichen Zinskosten, die europäische Unternehmensemittenten derzeit zahlen (laufende Rendite), liegen immer noch unter dem Refinanzierungssatz, der bei einer Mittelaufnahme aktuell am Markt anfallen würde (Yield to Worst).

Abbildung 2
Renditedifferenz

3. Stabile Einlagenbestände bei europäischen Banken haben Verbraucher und Unternehmen vor höheren Zinsen geschützt

Darüber hinaus hat der hohe und stabile Bestand an Bankeinlagen unseres Erachtens zu einer Verlängerung des europäischen Kreditzyklus beigetragen. 

Anders als in den USA reagieren europäische Unternehmen und Verbraucher im Allgemeinen weniger empfindlich auf Änderungen der Zinsen, die sie auf ihre Einlagen erhalten, und wechseln daher auf der Suche nach Rendite normalerweise nicht von Bankeinlagen zu anderen Anlageklassen. Die Banken können es sich leisten, den Sparern niedrigere Zinsen zu zahlen, als es die Zentralbankpolitik impliziert, und können im Gegenzug bei den Kreditzinsen nachgiebiger sein, was bedeutet, dass die höheren Leitzinsen nicht in vollem Umfang an die europäischen Unternehmen und Verbraucher weitergegeben werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass Kreditnehmer im privaten Sektor von relativ niedrigen Kreditzinsen profitieren, um Wachstum und Ausgaben zu finanzieren. Wir sind der Meinung, dass dies ein Schlüsselfaktor für die Verlängerung des Zyklus in Europa ist.

Was bedeutet dies für Anleger? 

Unserer Ansicht nach haben all diese Verschiebungen die Auswirkungen der Zinserhöhungen der EZB abgemildert und den Zeitpunkt, zu dem die höheren Zinsen spürbar werden, hinausgezögert. Dies hat unseres Erachtens zu einer Verlängerung des Kreditzyklus geführt, und wir erwarten daher, dass sich die Spreads vorerst in einer festen Bandbreite bewegen werden, sodass Anleger von den attraktiven Kupons profitieren können, die europäische Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating derzeit bieten. Aktive Manager können die Erträge steigern, indem sie zyklische Veränderungen antizipieren und das Gesamtkreditrisiko dynamisch steuern. 

Mit Blick auf den weiteren Verlauf des Jahres 2024 sind wir uns bewusst, dass der Markt nicht ohne Risiken ist. Höhere Zinsen dürften mittelfristig zu einer Verschärfung der Kreditkonditionen führen. Darüber hinaus besteht nach wie vor das Risiko eines geopolitischen Schocks oder von Volatilität an den Unternehmensanleihemärkten, falls eine deutliche Erholung des europäischen Wachstums den Markt dazu zwingen sollte, sich erneut mit der Möglichkeit von Zinserhöhungen zu befassen. Wir gehen davon aus, dass es Gewinner und Verlierer geben wird, wenn sich die restriktivere Politik bemerkbar macht, und sind daher der Meinung, dass Anleger Top-Down-Erkenntnisse durch Bottom-Up-Analysen der einzelnen Sektoren und Emittenten ergänzen sollten.

Um vom aktuellen Marktumfeld und möglichen Verwerfungen zu profitieren, bietet unserer Ansicht nach ein aktiver, flexibler und liquider Ansatz für das Management europäischer Investment-Grade-Unternehmensanleihen die besten Erfolgsaussichten.


BLOOMBERG® und die Bloomberg-Indizes (die „Indizes“), auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird, sind Dienstleistungsmarken von Bloomberg Finance L.P. und seinen verbundenen Unternehmen, einschließlich Bloomberg Index Services Limited („BISL“), dem Administrator der Indizes (zusammen „Bloomberg“), und wurden vom Verteiler dieses Artikels (dem „Lizenznehmer“) für die Verwendung zu bestimmten Zwecken lizenziert. Bloomberg ist nicht mit dem Lizenznehmer verbunden und billigt, unterstützt, prüft oder empfiehlt hierin genannten Finanzprodukte (die „Produkte“) nicht. Bloomberg übernimmt keine Gewähr für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten und Informationen in den Produkten.

Experten