Der frühe Vogel fängt den Wurm: Argumente für die Investition in Anleihen

Nanette Abuhoff Jacobson, Global Investment and Multi-Asset Strategist
2024-11-30
Archiviert info
Archivierte Inhalte sind weiterhin auf der Website verfügbar. Bitte beachten Sie das Datum der Veröffentlichung, wenn Sie diese älteren Inhalte lesen.

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind diejenigen des Autors bzw. der Autorin zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Dokuments. Andere Teams können andere Ansichten vertreten und andere Anlageentscheidungen treffen. Der Wert einer Anlage kann gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Investition steigen oder sinken. Von externen Anbietern stammende Daten werden zwar als verlässlich erachtet, doch gibt es keine Garantie für ihre Richtigkeit. Nur für professionelle, institutionelle oder zugelassene Anleger.

Da sich die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen in der Nähe der 5%-Marke bewegen und das Jahresende näher rückt, könnte es an der Zeit sein, über eine Umschichtung von liquiden Mitteln in Anleihen nachzudenken. Im August hatte ich auf die potenziellen Vorteile von Anleiheninvestments hingewiesen, selbst wenn es unklar ist, wie lange die US-Notenbank (Fed) noch im Zinserhöhungsmodus bleibt. Heute herrscht etwas mehr Klarheit über den Kurs der Fed. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags gehen die Märkte davon aus, dass die Notenbank die Zinsen vorerst beibehalten und ab Mitte 2024 mit Zinssenkungen beginnen wird. Dennoch wissen wir nicht mit Sicherheit, ob die Fed wirklich schon fertig ist. Deshalb habe ich noch einmal einen Blick auf die Gründe geworfen, weshalb es um den Zeitpunkt der letzten Zinserhöhung herum besser sein kann, zu früh als zu spät in Anleihen zu investieren.

Was wir aus früheren Zinserhöhungszyklen lernen können

Abbildung 1 zeigt anhand der Daten der letzten sechs Zinserhöhungszyklen der Fed den durchschnittlichen dreijährigen Gesamtertragsvorteil einer Anlage im US Aggregate Bond Index, wenn ein Anleger drei, sechs oder zwölf Monate vor der letzten Zinserhöhung (linke Seite der Grafik) bzw. drei, sechs oder zwölf Monate nach der letzten Zinserhöhung (rechte Seite der Grafik) investiert hat. Die hellblauen Bereiche stellen den entgangenen Gesamtertrag im Vergleich zu einem perfekten Timing in Bezug auf die letzte Zinserhöhung (mittlerer Balken) dar. Dies kann auch als „Kosten eines falschen Timings“ in Bezug auf die letzte Zinserhöhung gesehen werden. Der orangefarbene Bereich ist der zusätzliche Gesamtertrag, der verglichen mit einer zeitlich perfekt auf die letzte Zinserhöhung abgestimmten Anlage erzielt werden kann.

Die wichtigste Erkenntnis aus der Grafik: lieber zu früh als zu spät. Dies liegt darin begründet, dass Anleger keine perfekten Vorhersagen treffen können und daher dazu neigen, die Erwartungen vor dem tatsächlichen Ereignis einzupreisen. Wer drei Monate zu früh war, erzielte den maximalen Ertrag. Wer sechs Monate vorher investierte, war nicht weit davon entfernt und kam dem optimalen Timing sehr nahe. Zu spät einzusteigen, war jedoch kostspielig. Die Opportunitätskosten einer Verspätung um nur drei Monate betrugen im Durchschnitt sechs Prozentpunkte, wobei die Kosten mit zunehmender Verspätung weiter stiegen. 

Abbildung 1
Renditedifferenz

Warum die Fed die Zinserhöhungen aussetzen könnte

Steigende Anleiherenditen haben die Märkte im vergangenen Jahr immer wieder überrascht. Warum bin ich also nun zuversichtlicher, dass wir uns dem Ende nähern und eine Anlage in Anleihen jetzt eine kluge Strategie sein könnte? Die Inflation geht zurück. Die Kerninflation der Verbraucherpreise ist in den letzten zwölf Monaten kontinuierlich von 6,6% auf 4,4% gesunken. Der Anstieg der Anleiherenditen verschärft die Finanzierungsbedingungen, da die Kreditaufnahme teurer wird. Wie die Fed in ihrer jüngsten Erklärung angedeutet hat, nehmen ihr die höheren Anleiherenditen einen Teil der Straffungsarbeit ab – eine Einschätzung, die bei ihren Zinsentscheidungen in den kommenden Monaten sicherlich eine Rolle spielen dürfte. Darüber hinaus sehe ich Anzeichen dafür, dass die kumulierten Zinserhöhungen der Fed um 550 Basispunkte in der Realwirtschaft ankommen, wenn auch mit einer größeren Verzögerung als üblich. Die Kreditvergabebedingungen der Banken werden restriktiver, die US-Aktienmärkte verlieren etwas an Fahrt und der Lohndruck lässt allmählich nach.

Wo könnte ich mich irren? Die Arbeitsmärkte sind nach wie vor sehr angespannt, und obwohl die Löhne gesunken sind, sind sie immer noch nicht mit einer Inflationsrate von 2% vereinbar. Möglicherweise muss die Arbeitslosigkeit deutlich über die von der Fed prognostizierten 4% steigen, damit Löhne und Inflation nachhaltig genug sinken, um das Ziel der Fed zu erreichen. Dies würde eine weitere Straffung erfordern. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte ein Anlagehorizont von drei Jahren Anleihen immer noch einen Ertragsvorteil gegenüber liquiden Mitteln verschaffen, da eine weitere Straffung der Geldpolitik auch die Angst vor einer Rezession wieder aufleben lassen würde. Dies käme Anleihen zugute, da sich die Fed dann auf Zinssenkungen konzentrieren würde. Ein längerfristiges Problem ist zudem die Laufzeitprämie (die zusätzliche Rendite, die Anleger als Ausgleich dafür verlangen, dass sie Anleihen mit längerer Laufzeit halten), die in letzter Zeit als Reaktion auf eine Vielzahl von Faktoren gestiegen ist. Sollte sich die Laufzeitprämie von US-Staatsanleihen aufgrund steigender US-Haushaltsdefizite und eines zunehmenden Anleiheangebots weiter erhöhen, könnte dies eine deutliche Rally bei Anleihen verhindern.

Anlageimplikationen

  • Anleger sollten sich überlegen, ob sie nicht lieber früher als später von liquiden Mitteln in Anleihen mit längeren Laufzeiten umschichten sollten (vorausgesetzt, sie sind bereit, das höhere Risiko von Anleihen im Vergleich mit Barmitteln in Kauf zu nehmen). Die laufenden Renditen von Anleihen sind derzeit mit denen von Barmitteln vergleichbar, und auch wenn die Ergebnisse der Vergangenheit keine Garantie für die künftige Wertentwicklung sind, so haben Anleihen doch in den letzten sechs Zinserhöhungszyklen der Fed im Durchschnitt über einen Zeitraum von drei Jahren ein deutlich besseres Ergebnis geliefert als liquide Mittel. Da der Markt dazu neigt, die letzte Zinserhöhung vorwegzunehmen, läuft ein Großteil des positiven Ertrags bereits vorher auf.
  • Eine schrittweise Umschichtung von liquiden Mitteln in Anleihen stellt womöglich kein so großes Risiko dar, wie manche befürchten. Selbst wenn die Fed ihre Zinserhöhungen fortsetzt, kann der Markt den Zeitpunkt der letzten Anhebung niemals perfekt vorhersehen. Entscheidend ist, dass der Straffungszyklus entweder abgeschlossen ist oder kurz vor seinem Ende steht. In diesem Fall ist mit einer Stabilisierung bzw. einem Anstieg der Renditen zu rechnen. 
  • Anleger können diese Anpassung schrittweise vollziehen, indem sie sich auf den mittleren Teil der Zinsstrukturkurve konzentrieren. Da die Märkte das Ende des Straffungszyklus der Fed erwarten, wird die Zinsstrukturkurve steiler, wovon der mittlere Teil der Kurve ebenso stark oder sogar stärker profitiert als das lange Ende.

Expertin

Nanette Abuhoff Jacobson

Nanette Abuhoff Jacobson

Global Investment and Multi-Asset Strategist